Die 100 Meilen sind geschafft. Mit Finisher-Shirt in der
Tasche und frisch geduscht geht es mit dem Auto zurück ins Hotel. Gegenüber in
einer Seitenstraße gilt scheinbar sonntags kein Halteverbot, also parkt Henning
unser Auto dort. Yvy und Henning bringen die Räder in die Tiefgarage, wir die
Klamotten nach oben. Was für ein Gerödel, die drei Dropbags WP 1, WP 2 und Ziel
sowie die Radtaschen. Der vom WP 3 würde gleich vor der Siegerehrung im Hotel
abzuholen sein. Ein toller Service. Es ist acht Uhr, wir gehen dann mal zum
Frühstück. Hier sind wir nicht allein, der Raum ist voll von Finisher-Shirts
mit mehr oder weniger ausgemergeltem Inhalt. Ich hatte eigentlich ziemlichen
Hunger, aber im Moment fühlt es sich nicht an, als würde ich etwas
reinbekommen. Ich nehme nur einen Pott Kaffee und will mal abwarten, was mein
Magen sagt. Mir ist nicht schlecht, aber meinem ganzen Körper ist irgendwie
nach Ruhe. Nebenan am Tisch sitzen vier Frauen und freuen sich gerade über das
Finish ihrer 4er Staffel. Wir freuen uns mit und erzählen gegenseitig von
unseren Erlebnissen. Essen kriege ich trotzdem nicht herunter.
Gegen 9 Uhr sind wir im Zimmer und schlafen erst mal tief
und fest, trotz des Tageslichtes im Zimmern. Ich denke an die vielen, die noch
unterwegs sein werden und bin auch schnell im reich der Träume. Claudias Handy
muss uns um ein Uhr wecken, denn um 14 Uhr findet unten im Saal des Hotels die
große Siegerehrung statt.
Das Aufstehen gestaltet sich bei mir etwas schwierig, das
Knie scheint die Ruhe nicht gemocht zu haben. Aber es ist nicht verfärbt oder
geschwollen, das ist schon mal ein gutes Zeichen. Unten ist bereits alles für
die große Siegerehrung aufgebaut. Eine Bühne und viele viele Stuhlreihen für
Teilnehmer und Begleiter.
Hajo Palm begrüßt uns als Veranstalter und stellt die Gäste
vor. Ein Vertreter des Sportsenats hält eine kurze Ansprache, von der nicht
viel hängen bleibt. Dann kommt Rainer Eppelmann. Einst Pfarrer, einer der Köpfe
der Opposition in der DDR und nach der Wende deren letzter
Verteidigungsminister.
Als er spricht, ist es mucksmäuschenstill. Für mich hat der
Mann eine unglaubliche Ausstrahlung, die mich bereits nach wenigen Sätzen
erfasst. Er spricht von den Menschen, die sich nicht mehr alles vorschreiben
lassen wollen. Die selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden wollten und ihres
dabei verloren.
Er stellt die Verbindung zu uns Läufern immer wieder gekonnt
her, ohne dass ich das Gefühl habe, ständig den moralischen Zeigefinger zu
sehen. Mit den Eindrücken der vielen orangefarbenen Stelen unterwegs braucht es
das nicht. Aber er vermittelt mir auch die Freude. Die Freude, diesen Weg nun
frei laufen zu können. Dies war kein normaler 100-Meilen-Lauf. Das hat hier
gerade auch der letzte begriffen. Hoffentlich auch die, die achtlos an der
Gedenkstätte von Marietta Jirkowsky vorbei gelaufen waren.
Dann werden die Sieger auf die Bühne gerufen. Auch Karin
Gueffroy ist da, hängt Medaillen um. Sie ist die Mutter von Chris Gueffroy, der
noch im Februar 1989 erschossen wurde. Er wäre heute so alt wie ich. Dann
werden die Frauen von hinten nach vorne auf die Bühne gerufen. Zeit spielt hier
keine Rolle. Das Finish allein ist aller Ehren wert. Claudia ist an der Reihe.
Ich freue mich, dass sie es so gut überstanden hat und vor allem, dass sie
nicht wirklich enttäuscht über den verpassten „Buckle“ ist. Braucht sie mit
Platz 13 bei den Frauen auch nicht. Als vom Klatschen schon die Hände wehtun,
bin ich dann irgendwann an der Reihe. Der Gang zur Bühne klappt schon wieder
tadellos. Ich komme ohne fremde Hilfe die drei Stufen hinauf. Händeschütteln
mit Hajo, dann Frau Gueffroy. Ich bedanke mich für die Medaille und sage ihr,
dass ich am Abzweig Britzer Seitenkanal an ihren Sohn gedacht habe und höchsten
Respekt vor ihrem Wirken habe. Dann Erhalte ich von Rainer Eppelmann mein
„Buckle“. Mensch, war ich stolz auf das Ding! Aber diese Siegerehrung ist auch
so toll inszeniert, dass nicht einmal die endlosschleife von Pink Floyds
„Another brick in the wall“ zu nerven vermag. Das hier gehört sicherlich mit zu
den größten Momenten in unserem bisherigen Läuferleben. Es ist einzigartig.
Wir sind der Auffassung, das sollte es auch bleiben. Die
Back-to-back Medaille durch eine Bewältigung der Strecke in der, in meinen
Augen viel schwierigeren, umgekehrten Richtung kann ich mir im Moment nicht
vorstellen. Sehr gut kann ich mir aber die TorTour de Ruhr im nächsten Mai
vorstellen. Dafür habe ich hier wieder viel gelernt. Und Yvy ist auch so angetan, dass wir das selbstverständliche
Versprechen abgeben müssen, für sie und Henning auch den Radbegleiter zu geben.
Das ist Ehrensache!
Anschließend sitzen wir noch mit einigen Läufern im Biergarten vor den Hotels. Und gehen dann Richtung Hackesche Höfe zu einem Italiener. Wieder kann ich nur die Hälfte essen, aber immerhin. Mein Körper braucht etwas Zeit, um wieder auf Normalbetrieb zu wechseln. Aber ich kann gehen. Im Hotel schlafen wir schon um halb neun ein. Was solls?
Anschließend sitzen wir noch mit einigen Läufern im Biergarten vor den Hotels. Und gehen dann Richtung Hackesche Höfe zu einem Italiener. Wieder kann ich nur die Hälfte essen, aber immerhin. Mein Körper braucht etwas Zeit, um wieder auf Normalbetrieb zu wechseln. Aber ich kann gehen. Im Hotel schlafen wir schon um halb neun ein. Was solls?
Unseren allerherzlichsten Dank an alle, die uns diese
Leistung ermöglicht haben. An erster Stelle natürlich Yvy und Henning mit ihrer
„Fahrradtour“, dann die vielen Helferinnen und Helfer rund um diesen Lauf, die
sich wirklich vorbildlich in mörderischer Hitze und umschwärmt von Wespen um
uns gekümmert und uns alle Wünsche von den müden Augen abgelesen haben. Auch an
all unsere Freunde, die auf Facebook und im Internet mitgefiebert haben. Das
hat mich unterwegs sehr motiviert. Danke auch an alle, die danach unsere
Selbsbeweihräucherung und unser Läuferlatain tapfer ertragen mussten.
In dem Bewusstsein, fast alles bewältigen zu können, wenn
unsere Körper weiter so tadellos mitspielen ging es am Montag wieder nach
Hause. Über die „Interzonenautobahn“ bis Helmstedt/Marienborn. Auch hier war
früher die Grenze. Eine Gedenkstätte zeugt noch davon. Die meisten rasen
durch…..
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