Freitag, 30. Mai 2014

Riesenbecker Sixdays - Schlussetappe Ibbenbüren Aasee - Riesenbeck "Etappe der großen Gefühle"


Es war, bedingt durch Marco und Kims Ankunft und die längere 5. Etappe spät geworden am Mittwochabend. Erst gegen Mitternacht fanden wir in die Betten. Als ich als notorischer Frühaufsteher gegen 7 Uhr erwachte, hörte ich es nach wie vor draußen plätschern und tröpfeln. Wollte der Dauerregen, der uns seit Montagnacht begleitete, denn nie mehr aufhören? Wir alle wünschten uns wohl eine trockene Schlussetappe, die dieser einzigartige Wettkampf wohl verdient gehabt hätte. Marco und Kim waren erst wenige Stunden hier und wohl auch schon vom Geiste dieser Veranstaltung erfasst. Der erneut emotionale Zieleinlauf am Strandbad am Aasee der schlammverkrusteten Läuferinnen und Läufer und das Engagement der Helfer und Zuschauer an der Strecke hatte auch sie beeindruckt. Während des  Frühstücks hörte es langsam auf, der Himmel behielt jedoch sein dunkelgraues Trauerkleid. So ganz wollte der d oben die Veranstaltung wohl noch nicht aus seinen Händen geben. Man hat zwischen den letzten beiden und auch längsten Etappen ja nur 20 Stunden Zeit von  Start zu Start, also hieß es nach dem gemütlichen Frühstück für mich schnell den Bericht zur 5.Etappe zu schreiben. Denn sonst überlagern die neuen Eindrücke des Tages wieder de Erlebnisse, de ich hier ja nicht nur für  Euch sondern besonders für mich selbst aufschreiben möchte.
Es war durch den vielen Regen kalt geworden, das Thermometer zeigte nur noch 13 Grad an, dazu wehte ein unangenehmer Wind, der am Aasee zum Start recht intensiv für durchgängiges frösteln sorgte. Die Stimmung war überraschen gut und gelöst bei allen Teilnehmern, das lag wohl an der Vorfreude, es bald geschafft zu haben. Moderator Michael Brinkmann wies noch einmal auf die Spendenaktion zugunsten der Verstorbenen Karine hin und kündigte erneut die Sängerin Jenny Garcia an, die uns mit einem Karine gewidmeten Song live hier auf die Strecke schicken sollte. Wir wurden gebeten, ein letztes Mal einige Minuten vor dem Start inne zu halten und den Song auf uns wirke zu lassen, vielleicht auch noch einmal über die Ereignisse nachzudenken, ehe uns wieder die großen und kleinen Läuferdramen und Positionsrangeleien beschäftigten. Dazu waren leider viele Laufkolleginnen und Kollegen nicht in der Lage. Während ich den Arm um meine Claudia gelegt hatte und in den wolkenverhangenen Himmel schaute, scherzten einige viele weiter herum, als ob nichts geschehen wäre. Das hat mich sehr gestört. Show must go on, ja klar. Das Rennen und das Leben gehen weiter, persönlich haben wir alle die Verstorbene nicht gekannt. Aber ist es zu viel verlangt, noch ein letztes Mal 3 ½ Minuten zu schweigen? Aus Respekt der Künstlerin und der Toten gegenüber? Als ich dies kurz meinem Nachbarn äußerte, gab er mir Recht. Irgendwie erschreckend, wie schnell die Normalität zurückkehrt. Aber vielleicht ist das auch gut so.

Wir wünschten uns ein gutes Rennen, dann ging es schon los. Ich hatte mich wieder zu weit vorne eingereiht und lies mich den ersten Kilometer entlang des wunderschönen Aasees mitziehen, 4:34 war das Ergebnis. Dann wurde der Weg wieder zum Pfad und führte uns durch ein kleines Wäldchen. Meine Beine fühlten sich schon wieder an wie Blei, alles andere hätte mich auch wundern müssen. Dann stoppte das Feld unvermittelt. Geschlagene 38 Sekunden ging es an einer Ecke nicht mehr weiter. Als ich dann „an der Reihe“ war und um den Busch vor uns herum konnte, sah ich auch, warum. Eine riesige Pfütze von mehreren Metern Länge, nein, eher ein Miniatur-Moor zwischen Zaun und Gebüsch hatte das vordere Feldviertel mal eben völlig ausgebremst. Vor zwei Jahren hätte das bei mir eine mittlere Panikattacke ausgelöst. Heut war es mir ganz Recht, dass mein Puls wieder Gelegenheit bekam, in seine Ausgangsposition zurück zu kehren. Also Reset, es ging weiter. Ein Stück der Groner Allee entlang, welches wir  bereits auf der ersten und zu Beginn der zweiten Etappe in verschiedene Richtungen belaufen hatten, dann auf befestigten Wegen am Ortsrand von Ibbenbüren schön flach weiter. Ich wurde überholt, ich überholte, begann mich aber langsam einzulaufen. Ich halte hier tatsächlich noch eine Pace um die 4:40 über die ersten Kilometer, die bretteben entlang der Aa und durch ein schönes Wohngebiet führen. Danach ist es dann, so bei Kilometer 7-8, endgültig Schluss mit Lustig, dann geht es hinauf in den Teuto. Bereits auf dem leicht ansteigenden Feldweg nahm ich Tempo heraus, kurz darauf konnte ich auf einem flachen Asphaltstück nochmal beschleunigen. „Du schreibst doch immer den tollen Blog“ höre ich von hinten eine Frau, die  gerade an mir vorbei läuft. „Ja, danke, freut mich, wenn’s Spaß macht“. „Schreib weiter, ist super“ und weg ist sie. Hier sind unheimlich viele starke Teilnehmer, die am Berg noch ein unglaubliches Tempo halten können. Auch die blonde Dame aus der W60 geht wieder locker an mir vorbei, als ich beginne, von laufen auf gehen zu wechseln. Der Weg ist morastig, durchzogen von Wurzeln und Steinen. Teilweise sinke ich wieder ein und durch den Riss, den ich am Start an den Leisten meines ON Cloudsurfer-Schuhs entdeckt hatte, dringt Matschwasser ein. Der hat es dann im Ziel auch hinter sich. Er hat mir treue Dienste geleistet, hat mich 2013 in Düsseldorf zu einer 3:11:01 im Marathon getragen und auch durch den Marathonlauf bei der Ironman-Distanz. Na ja, so haben sie einen würdigen letzten Lauf. Wir machen hier gerade wieder 70 Höhenmeter auf 1,2 Kilometern hinauf auf den Kamm des Teutoburger Waldes. Ein älterer Läufer hört neben mir dann auch mit dem Laufschritt auf. Dies uns gibt Gelegenheit, ein paar Worte zu wechseln. „Mir kann heute nix mehr passieren. Der erste M 60 ist 20 Minuten vor mir, der dritte 20 Minuten hinter mir.“ „Klasse, dann kannst Du es ja auch ruhig angehen lassen!“ “Vor zwei Jahren war es noch langweiliger, da hatte ich in der AK ganz schwache Konkurrenz. Über eine Stunde Vorsprung vor der letzten Etappe, das war langweilig“.
Wie sind oben. Ich bewundere diesen erfahrenen AK-Läufer und was der hier mit über 60 noch leistet. Damit ist er hier nicht alleine. Ich gewinne oben dank meines Gehens schnell wieder Tempo und habe schnell die Läufergruppe vor mir wieder eingesammelt und meinen Begleiter abgehängt. Hier oben auf dem Herrmannsweg wird der Weg bessser, es war die richtige Entscheidung, auf die weniger geländegängigen ONs zu setzen und die Trailschuhe zu Hause zu lassen. Denn nun geht es, nach einer ordentliche „Welle“ im Gelände, wieder hinunter an der Südseite des Teuto. 
Dort unten am Postdamm würden Marco und Kim warten, dort gibt es den zweiten Verpflegungsstand und es geht den letzten Berg der Sixdays hinauf. Unten ist die Hölle los, ich komme mit ordentlich Tempo trotz des schlechten Bergweges um die Ecke. Ein kurzes Hallo, einen Becher Cola, die hier erstmalig gereicht wird, und es geht wieder im gehschritt hinauf. Die ebenfalls angebotene Schokolade lasse ich lieber. Wieder überholen mich einige, die ich eben bergab hinter mir gelassen habe. Vor zwei Jahren wusste ich, dass ich noch eine Menge „Tinte auf dem Füller“ hatte und es denen allen auf der Flachetappe auf den letzten 9 Kilometern zeigen konnte. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Das Problem ist weniger der Puls, der sich noch im Bereich GAT 2 bewegt, sondern meine bleischweren Beine. Das hatte ich hier spätestes seit Sonntag täglich. Und das lässt mich zweifeln, dass ich hier wie damals noch viele überholen würde können. Egal, ich habe den letzten Berg geschafft, sogar in 6:08 mit Gehphase. Jetzt lasse ich meine schweren Beine wieder laufen.

Der Läufer im Volksbank-Einteiler bleibt endgültig hinter mir, vor mir noch einmal der SV-Teuto und einmal das blaue Hemd der LG Emsdetten. Auch die kommen hier oben auf dem Herrmannsweg wieder näher. Bald muss schon das 10-Kilomter-Schild auftauchen, denn hier sind lediglich die letzten 10 Kilometer der letzten Etappe rückwärts ausgeschildert. Da war es, der Countdown läuft. Ab und zu scheint die Sonne erste Durchbrüche durch die Wolkendecke zu wagen, letztlich sollte sie jedoch nicht durchkommen. Meine Kleidung mit Einteiler und Armlingen wie in Hamburg bewährt sich jedoch bei den ähnlichen Temperaturen hier. Zum Laufen ist es angenehm, Hauptsache jedoch trocken. Kilometer 13, der hier bereits leicht bergab verläuft, schaffe ich bereits wieder mit einer 4:47er Pace, auf Kilometer 14 kann ich es dann wieder richtig laufen lassen. Mit 4:25 geht es den Waldpfad hinunter zur „Millionenbrücke“ über den Mittellandkanal auf seinen ersten Metern. Ich habe den Wald geschafft. Schon kurz vorher höre ich die vielen Zuschauer, deren Anfeuererungsrufe hinauf in den Wald schallen. Gänsehaut. Unten ein Verpflegungsstand, ich danke den Helfern, nehme eine Cola und überquere die Wasserstraße. Hinter der Millionenbrücke geht es sofort hinunter zum Kanalwirtschaftsweg, wo mich sofort die Windkeule von vorne trifft. Egal, wenn es gar nicht mehr geht, einfach locker weiterlaufen. So geht es mir durch den Kopf, als ich am “Nassen Dreieck“ über eine alte Eisenbrücke nun auch den Doofmund-Ems-Kanal überqueren darf. Auch hier wieder viele Beifall spendende Helfer und Zuschauer und deren „Komm, ist nicht mehr weit“ ist nun wirklich einmal kein dummer Spruch, sondern kommt ehrlich bei mir an. Dann sind wir im Golddorf Bevergern angekommen, keine Ahnung, warum das so heißt. Jedenfalls führt die Strecke hier herrlich hinter Gärten an einem kleinen Kanal durch den Ort.  Hier ist dann endlich der Läufer vom SV-Teuto fällig. Kurz darauf überholt mich jedoch auch noch eine Gruppe von vier bis fünf Läufern, ich widerstehe der Versuchung, trotz meiner schweren Beine zu versuchen, mitzuhalten. Die 4:42 für Kilometer 16 sind immer noch mehr, als ich erwartet hatte. Der Läufer von der LG Emsdetten läuft nun unmittelbar vor mir. Wir sind im Ortskern, ein Moderator sagt mich noch einmal an, hier ist sonst außer dem Vorhandensein des vorletzten V-Punktes nichts los. Dann noch einmal hinaus entlang des kleinen Abflusskanals. Die Läufer sehen hier hintereinander aus, wie die Perlen an der Schnur aufgereiht. Ein schönes Bild. Leide sinkt auf dem schmalen, matschigen Weg auch wieder die Pace. Als wir endlich in der Nähe des Wasserschlosses Surenburg das 4-Kilometer-Schild passiert haben, laufe ich neben dem Läufer der LG Emsdetten. Wir tauschen einige Worte aus und laufen dann unverabredet zusammen weiter. Ich glaube, wir sind, so glaube ich nun, beide froh einen Begleiter für die letzten Kilometer zu haben.
Die Allee vor den Schloss zieht sich wunderschön dahin, ich sage „lauf mal, ich mach ruhiger“ aber irgendwie bleiben wir dann doch zusammen. „Ein schönes Schild“ sage ich, als Kilometer zwei in Sicht kommt. Wir überholen noch zwei Läufer, einen vom SV-Teuto und einen von Marathon Steinfurt. Deren Laufstil lässt schließen, dass die gut durch sind. Schnell gewinnen wir beide Abstand.  In meinem Kopfkino laufen die Bilder und Gefühle der vergangenen Teilnahmen noch einmal ab. Vor allem die Euphorie beim letzte Mal 2012. Ich hatte nur noch Läufer eingesammelt und war klar in die Top 100 dieses toll besetzten Wettkampfes gestürmt, habe noch um jeden Platz gekämpft, habe sogar die 9:30 h unterbieten können.  Und heute? Ich bin froh, die Top 200 bzw. das vordere Drittel geschafft zu haben, die Zeit wird wohl die schlechteste seit meiner Premiere 2008 werden, aber sie ist mir wertvoll. Nur noch ein Kilometer, wir sind in einer Wohnsiedlung, wo es ein letztes Mal leicht bergauf geht. So lang hatte ich die Passage nicht auf dem Schirm. Ich lasse die LG Emsdetten mit guten Wünschen ziehen. Hinter mir ist Ruhe. So habe ich den Zieleinlauf für mich alleine. Hier hatte ich im letzten Jahr die Überholorgie abgebrochen und aus den gleichen Gründen den Läufer vor mir ziehen lassen. Endlich bin ich oben, jetzt geht es bergab nach Riesenbeck hinein, immer mehr Zuschauer säumen den Kurs. Dann die linkskurve, die abgesperrte Straße, Zuschauer jubeln mir rechts und links der Absperrgitter zu. Ich nehme die Arme hoch, sehe die Fotografin des SV-Teuto und winke ihr zu. Sie begreift und schießt ein Foto von mir. Ich werde es später wohl unter www.sv-teuto.de  finden. Hier schon mal danke schön vorab.
 Dann geht es zum Ziel. Pure Freude, ich reiße die Arme hoch, brülle mehrmals „Ja, ja, ja“.
Kein Gedanke an schlechte Zeiten, an schwere Beine, sehr wohl aber ein kurzer Moment in Gedanken an diejenige, die genau diese Gefühl hier nicht mehr erleben durfte. In tiefer Dankbarkeit gehe ich in die Hocke und lasse  mir die Medaille umhängen. Ich bin platt. 1:57, zumindest klar unter zwei Stunden geblieben, damit kann ich gut leben. Wir wollen ja immer wieder an die Grenze heran, an die Grenze von Kampf und Duchhalten zum gesundheitsgefährdenden Wahnsinn. Überschreiten wollen wir sie alle nicht. Das habe ich nicht getan. Ich treffe Andre, Birgit und viele andere Freunde und Bekannte. Dieter ist jetzt auch im Ziel, die letzten beiden Tage haben auch ihn geschafft. Erfreut sich mit Birgit über ihren Altersklassensieg und den 4. Gesamtplatz. Auch für Birgit als Sixdays-Neuling eine ganz starke Leistung! Stolz trage ich mein Finisher Shirt, denn dieses habe ich mir wie alle anderen auch hart verdient. Du bekommst es nur, wenn Du alle Etappen beendet hast, das wird genau nach gehalten. Dann kommt Claudia ins Ziel.
Ich versuche noch, ein gutes Bild zu machen, aber sie läuft hinter mehreren anderen herein. Auch sie hat es glücklich wieder geschafft, so sieht sie allerdings auch aus. Sie ist bei Kilometer 11 mit dem Fuß umgeknickt und den Rest mit Schmerzen zu Ende gelaufen. Das ist jetzt wiederum so eine Sache, die für mich auf einem ganz anderen Blatt steht. Schmerzen im Fuß kann man überlaufen, wenn es nicht mehr geht, würde es nicht mehr gehen. Man macht aber in der Regel nicht mehr kaputt, als dann ohnehin kaputt ist.
Nicht, dass ich mir Sorgen gemacht hätte, aber angesichts dieser besonderen Sixdays bin ich doch froh, meine Frau im Ziel relativ gesund und glücklich in die Arme nehmen zu dürfen.
Dass das nicht selbstverständlich ist, haben unsere französischen Läufer hier am dritten Tage erfahren müssen.
Von der tollen Stimmung bei der Siegerehrung im rappel vollen Partyzelt am Abend will ich gar nicht viel Berichten, es war wie immer der würdige Abschluss einer großen Veranstaltung.
Bei einer Tüte Chips und einem Gläschen Wein und Sekt ließen wir nach den traditionellen Pommes-Currywurst nach der Party den Abend, oder besser frühen morgen, mit Marco und Kim in unserem Holzhäuschen ausklingen. Auf der Rückfahrt am Freitag fuhr dann mal meine Frau, denn ich musste ja diesen Blog noch verfassen….
Wir waren eigentlich der Auffassung, die Riesenbecker Sixdays 2016 einmal auszulassen. Ich hatte bereits am zweiten und dritten Tag lernen müssen, dass man die „nicht mal eben so“ läuft, sondern dass ein schneller Marathon und keine gezielte Vorbereitung einen eben immer müder werden lässt. Der ganze Umgang mit den dramatischen Ereignissen hier, insbesondere die Minute Applaus am „Tag danach“ haben mich mit diesem Lauf weiter verbunden. Ich glaube, ich werde 2016 doch wieder da sein. Das Ferienhaus habe ich schon mal reserviert….




Donnerstag, 29. Mai 2014

Riesenbecker Sixdays Dickenberg - Ibbenbüren Aasee - Schlammschlacht im Dauerregen.

"Staunen Sie auf der 5. Etappe über soviel Natur in der größten Stadt des Etappenlaufes - Ibbenbüren und genießen Sie den Zieleinlauf bei untergehender Sonne direkt am Aasee in Ibbenbüren."
So hieß es in der Ausschreibung des SV-Teuto.
Der 5. Tag der Riesenbecker Sixdays beginnt, wie der traurige 4. Tag aufgehört hatte. Mit Dauerregen, der den ganzen Tag nicht nachlassen wollte und der dem nicht unerheblichen Anteil an Waldwegen und Single-Trails an der heutigen Etappe wohl mächtig zusetzen dürfte.
Heute kommen Marco und Kim, unsere Trainingskollegen aus der Ausdauerschule, uns für die letzten zwei Tage besuchen. Das freut uns sehr. Einmal zeigen wir gerne anderen Lauffreunden diese wunderbare Veranstaltung, andererseits lenken uns auch neue Gesprächspartner mal wieder von den schrecklichen Ereignissen der vergangenen Tage ab. Wir haben daher auch etwas mehr Zeit, denn zum Ziel zu fahren und mit den Bussen wieder zurück, wo der Start doch nur 500 m von unserer Unterkunft aufgebaut ist, macht ja irgendwie wenig Sinn. Zurück wollen wir dann mit Marco und Kim fahren.
Leider müssen sich die beiden durch den dichten Feierabendverkehr wühlen und würden es nicht bis um Start schaffen, uns zu treffen. Also schicke ich Ihnen eine Liste mit Adresssen, an denen sie die Strecke gut erreichen können, das erste Mal an der Dickenberger Kirche bei Kilometer 9,5.
Meine Stimmung ist trotz des Regens immer noch verhalten, aber ich kann mich im Gegensatz zu gestern wieder auf das Laufen konzentrieren. Die Liste von der „Karine-Etappe“ habe ich mir noch gar nicht genau angesehen. Aber ich weiß nun, dass das Ergebnis hier für mich nur noch eine untergeordnete Rolle spielen wird, ich will hier jedoch ohne Zeitdruck alles geben, ohne etwas erzwingen zu wollen. Was dann dabei herauskommt, ist in jedem Falle gut.





Wir treffen einige Laufbekannte und schließlich Andre und Familie, machen unsere obligatorischen Startfotos, diesmal in der Pausenhalle. Denn es regnet weiter ohne Unterbrechung. Erst kurz vor 18:00 Uhr begeben wir uns in die Startformation, ich reihe mich diesmal wieder an gewohnter Stelle ein. Dort treffe ich Birgit und Dieter. Ich gebe Birgit noch den Tipp auf den Weg, gleich nach vorne u gehen, denn auf dem ersten Kilometer gibt es zwei Engstellen, an denen es zu Stau kommen kann. Nach der zweiten Engstelle geht es dann einen schmalen Trail entlang, wo schlecht überholt werden kann. Dann geht es los. Ich sehe auch zu, dass ich zunächst wegkomme und schaffe den ersten Kilometer auch in einer Pace von 4:32. Kein Wunder, dass ich mich schon so fertig fühle. Dann geht es um die zweite Engstelle ohne großes Gedränge in den Wald am Uffelner Berg. Meine Schuhe sinken sofort faste bis zur Schnürung ein, viele versehen, den Schlamm zu umlaufen und beginnen dadurch an den schrägen Rändern des Weges zu rutschen. Ich gehe einfach mitten durch. Das Geläuf geht aber sofort in die Waden und wir schaffen bergab nur eine Pace deutlich über 5. Hier konnte ich vor zwei Jahren noch ordentlich Tempo machen, das geht heute nicht. Aber ich will auch nicht durch waghalsige Überholmanöver andere gefährden. Aber mein Kopf ist heute freier. Ich denke ans Laufen, und das ist ein großer Unterschied zum Vortag. Den Dauerregen merke ich unterwegs kaum. Dann endlich der erste befestigte Feldweg. Ich laufe so vor mich hin und wundere mich, dass diese beiden relativ flachen Kilometer mir ein eine Pace von 4:46 bescheren. Dennoch werde ich überholt. Aber ich bin froh, dass ich mich weiterhin von allen Positionskämpfen hier gelöst haben. Ich kann und will es jetzt nicht mehr ändern, ich laufe, was sich ergibt und alle Anderen sind mir nun egal. Es geht stramm bergauf an einem Bauerhof vorbei, hier stehen einige Zuschauer. Die bewundere ich, bei diesem nasskalten Wetter hier zu stehen und uns anzufeuern ist eine tolle Leistung, die ich auch immer  mit einem „Daumen hoch“ oder zumindest einem Dankeschön bedenke.
Und wieder geht es in den Wald, wieder runter, dann hoch. Auf einem Kilometer gewinne ich wieder 60 Höhenmeter, in dem knöcheltiefen Schlamm kein Vergnügen. Trotz meiner Trailschuhe rutsche ich ordentlich, bin aber wieder froh, dass ich die gekauft habe. Es geht eine Treppe hoch, dann wieder eine steile Straße, eine Unterführung unter der Hauptstraße durch Dickenberg, wieder Treppen, dann komme ich an die Kirche. Wir sind hier mal gerade einen Kilometer vom Start entfernt, aber haben schon 9,5 Kilometer um den Uffelner Berg hinter uns. Jetzt wird es erst einmal flacher. An der Kirche befindet sich der zweite Verpflegungsstand, hier stehen auch wieder sehr viele Zuschauer, die uns rythmisch beklatschen. Ich sehe Marcos Auto am Straßenrand parken, dann sehen ich auch Marco und Kim. Ich gehe kurz hin und umarme die beiden, soviel Zeit muss sein Freunde aus der Heimat spornen immer an, ich laufe gleich wieder lockerer weiter. Das Feld hat sich hier schon gut auseinander gezogen, ich laufe wieder mal alleine. Ob es an meinem Deo liegt? Im  oment wechselt die Strecke zwischen welligen Wohngebieten und kurzen, tief verschlammten Waldstücken. Aber das Kohlekraftwerk kommt näher. Steil hinab eine kurze Straße, dann ein Wasserstand. Ich trinke einen Schluck, laufe langsam hinauf. Hier macht ene Nachbarschaft Party vor der Türe, mehre Kinder stehen da, eins mit Megaphon, welches alle Nummern der ankommenden Läufer ausruft. Die anderen klatsche ich ab, die Kinder freuen sich. Es geht immer wieder kurz hoch und kurz hinab, dann erreichen wir die Straße am Kohlekraftwerk Ibbenbüren. Wir laufen vorbei am Stauu der angehaltenen Autos, dann überqueren wir die Straße. Jetzt geht es tendenziell bergab. Christian vom TV Mesum läuft plötzlich neben mir. Er lief auch immer wider mal in meiner Gegend bei den letzten 4 Sixdays-Veranstaltungen.
Wir unterhalten uns während des folgenden Bergab-Kilometers, dann lasse ich ihn laufen. Ich will ich jetzt nicht an jemanden dran hängen und damit wieder etwas zwingen, meine Puls möchte ich schon im Griff behalten. Wieder geht es hoch. „Die letzte Steigung“ ruft mir ein Helfer zu. Noch einmal geht es steil bergab, dann werde ich von den nächsten Helfern frühzeitig gewarnt, denn es geht nun 90 Grad links auf den letzten Trail in den Wald hinauf. “Das letzte Mal hoch“ höre ich den Streckenposten hinter mir. „Das höre ich schon zum 4. Mal“ scherze ich zurück. Irgendwie scheinen die hier eine andere Vorstellung von Steigung zu haben. Matsche, Matsche, Masche. Es geht immer wieder wellig voran. Was mir hier besonders zu schaffen macht, ich, dass die Zweige der Bäume durch die anhaltende Nässe immer recht tief hängen, so dass ich mich bücken muss. Gleichzeitiges Beugen des Oberkörpers, während die Füße nach Halt suchen, stellt an sich schon eine gymnastische Herausforderung da. Das Problem an diesem Trail ist, dass er am Berghang verläuft, ohnehin leicht talwärts abgeschrägt ist und durch den Morast eine echte Gefahr darstellt. Ich habe wenig Lust, da herunter zu rutschen und mir am nächstbesten Baum eine Rippenprellung oder Schlimmeres zu holen. So geht dieser Kilometer leider nur in einer 7er Pace. Dann endlich geht es teil bergab, ich lasse wieder etwas mehr rollen, dann hier könnte ich nach rechts oder links vom Weg ins Lauf ausweichen. Dann endlich die Asphaltstraße, jetzt erst mal rollen lassen. Es fühlt sich schwerfällig an, aber eine 4:34er Pace schaffe ich hier noch. Ich will jetzt nur noch durch den Regen ins Ziel kommen. Es geht nun leicht bergab bis flach, aber die Strecke entlang der Hauptstraße zieht sich. Ein älterer Läufer, geschätzt M70, überhol mich. Ist mir auch egal. Dann geht es endlich nach rechts hinter das Sportzentrum Ost, wo bis 2010 der Zieleinlauf stattfand. Jetzt lotsen mich klatschnasse Helfer am Eingang vorbei über den Parkplatz über die Brücke zum Aasee-Rundweg. Ich höre schon die Samba-Trommeln des Ziels. Weiter, weiter weiter. Die Füße laufen von alleine, aber die Oberschenkel brennen. Dann der Beachclub in Sichtweite, dahinter ist das Ziel. Sprinten will ich nicht, dennoch bin ich schneller. Ein Zielkanal, dicht gesäumt von Zuschauern. Ich werde angesagt.


Die letzten 400 Meter gaben noch eine 4:32er Pace. Das ist nichts, aber mit den dicken Beinen von der Schlamm-Tour fand ich mich noch ganz gut. 1:57, knapp unter zwei Stunden für knapp 22,5 Kilometer mit gut 260 Höhenmetern. Die schlimmsten Berge liegen ebenso hinter mir wie 5 Etappen, und heute habe ich wieder ein gutes Gefühl. Und die Ergebnisliste am späten Abend sollte mich bestätigen. Birgit und Andre erwarten mich bereits, sie hatten auch gut zu kämpfen. Aber wer nicht. Ich ziehe mich schnell um und die nassen Sachen aus, dann erwarte ich Claudia. Sie kommt nach 2:13 h ins Ziel und lacht wie immer.
Unfassbar, wie sie das immer hinbekommt. Leider bleibt wenig Zeit, denn es regnet und wir haben nur noch 18 Stunden bis zum Start der letzten und sechsten Etappe. Die Sixdays sind wieder ein Lauf geworden. Die Musik im Ziel spielt wieder wie gewohnt. Das heißt nicht, dass Karine bereits vergessen ist. Aber der Tod lief heute nicht mehr mit. Jedenfalls nicht bei mir. 

Wie ich hörte, soll die 3. Etappe nun künftig nach Ihr benannt werden. Eine tolle Idee, wie ich finde.



Mittwoch, 28. Mai 2014

Riesenbecker Sixdays - "Etappe der Wahrheit" , der Tod lief mit

Die 4. Etappe von Mettingen nach Dickenberg wird gemeinhin als „Etappe der Wahrheit“ bezeichnet. Dieses Jahr stand sie unter anderen Vorzeichen. Gegen Mittag in unserem Ferienhaus erhielt ich Nachricht von einem Freund, der hier vor zwei Jahren mit uns mitgelaufen war. Was denn los sei, Läufer verstorben! Ich ging sofort ins Netz, was in unserem Haus leider nur von einer Dachkammer möglich ist, und war schockiert. Sofort dachte ich an den Läufer, den ich hatte kurz vor dem Ziel in Mettingen liegen gesehen. Aber der war es nicht, wie sich herausstellte. Ich werde hier nicht alle Informationen, die ich habe, niederschreiben. Hier geht es mehr um meine Gefühle, die ich dem Leser mitteilen möchte. Also schreibe ich nur über Dinge, die öffentlich verkündet oder geschrieben wurden. Diese sehe man mir bitte nach.

Wir sind hier unter Läufern und das ist wie eine große Familie. Schon einmal, während des Silvesterlaufes von Werl nach Soest 2011 haben wir am Straßenrand sehen müssen, wie ein Läufer kollabiert war und dann später erfahren, dass er es nicht geschafft hatte. Aber für mich ist es dennoch etwas anderes, ob dies bei einer Tagesveranstaltung mit über 5000 Teilnehmern geschieht oder bei einem familiären Etappenrennen wie hier bei den Sixdays, wo wir mit 600 Leuten an den Start gingen, wo man sich täglich wiedersieht, sei es auf der Strecke, an Start und Ziel oder beim Bustransfer und wo alle irgendwo die gleichen Dinge erleben und erleiden.
Ein Rennabbruch durch den Veranstalter ging mir sofort durch den Kopf und dafür hätte ich Verständnis gehabt. Wenngleich ich es mir selbst nicht gewünscht hätte, bin ich doch der Meinung, dass einem Läufer am meisten Ehre durch das Laufen zuteil wird. Für mich ist es auch die bessere Form der Verarbeitung.  Mit einem Mal wurden schlechter werdende Ergebnisse und meine kleinen mentalen Probleme damit völlig unwichtig. Eine von uns ist nicht mehr!

Wie bestellt setzte nun auch grauer Himmel und Regen ein. Claudia und ich beschlossen unabhängig voneinander, in schwarz zu laufen, um so unsere Anteilnahme zu bekunden, als schnell via Facebook und Homepage des SV-Teuto die Fortsetzung des Laufes verkündet wurde. Es sei der Wunsch der Angehörigen gewesen und es sei so auch im Sinne der Verstorbenen.
Die Abfahrt der Busse fand nur wenige Meter von unserer Unterkunft entfernt statt. Wir saßen wie am Vortag wieder mit Wolfgang zusammen, der den Vorfall aus der Nähe mitbekommen und weitere Dinge berichten konnte. Entsprechend gedrückt war bereits die Stimmung. Dann bestieg Orga-Chef Michael Brinkmann den Bus und berichtete uns im Detail mit bewegter Stimme vom Tod der Läuferin. Es war mucksmäuschenstill. Bereits hier kamen auch mir die ersten Tränen. Er bat uns um einen eine Minute dauernden Applaus vor dem Start, so wie es sich die Angehörigen der Läuferin gewünscht hätte. Heute würde es im Ziel ruhiger zugehen. Aber ab morgen sollten wir wieder ins Rennen kommen und am Donnerstag feiern. So sei es gewollt. Michael genießt in seinem Umgang und seiner Sensibilität hier meinen allergrößten Respekt. Das ist ganz groß, wie er hier damit würdevoll, und doch nach Läuferart damit umgeht.

Claudia und ich waren betroffen. Einige Läufer benahmen sich wie immer, viele waren deutlich ruhiger. Ich möchte das gar nicht werten, jeder geht damit anders um. In Mettingen trafen wir Cousin Andre mit Familie, der auch sehr mitgenommen wirkte. Dann wurden wir in die Startaufstellung gebeten. Eine Erklärung der Angehörigen wurde verlesen. Es handele sich bei der Verstorbenen um eine Läuferin aus der aus Frankreich angereisten Guppe. Sie hieß Karine und lief in der AK W35. Sie war eine durchtrainierte Marathon- und Ultra-Läuferin. Sie litt an keinem Infekt und es ging ihr gut. Und dennoch verstarb sie bei der Ausübung dieses wunderbaren Sports. Die Gruppe würde nun alleine abreisen, versprach aber, in zwei Jahren wieder zu kommen. Karine würde uns von oben zusehen. Anstelle der Schweigeminute begann nun der Applaus. Laut, ansteigend und in einen stakkatoartigen Rhythmus übergehend. Das war der emotionalste Moment, den ich im Rahmen diese Sports erlebt habe. Die Läufer, das Klatschen, die Begleiter von Karine neben Michael Brinkmann, der Dauerregen, den kein Hollywood-Regisseur weggelassen haben würde. Die ehrwürdige Kirche von Mettingen neben uns gab der Szene einen würdevollen Rahmen.
Hier wurde eine von uns verabschiedet. Unwichtig der Countdown und der Startschuss unmittelbar danach. Es war eine große Verabschiedung. und mir war, als spüre ich die Blicke der Verstorbenen, die uns beim Loslaufen zusieht.


Gleich zu Beginn geht es in Mettingen relativ steil bergauf. Ich war ohnehin weiter hinten gestartet, weil ich vor dem Start bei Claudia sein wollte. Ich ging hinauf, dann ein relativ kurzes Straßenstück, ehe die Strecke in einen Wald führte, wo uns Schlamm und Modder erwarteten. Gut, dass ich die Trailschuhe anhatte. Ich ließ es bergab durch die Matsche laufen, immer wieder jedoch die Gedanken im Kopf, dass jemand im Rennen fehlt. Dieter von der LG Mülheim läuft vor mir, auch er flucht über den morastigen Weg. Dann sind wir im Tal und laufen vor „die Wand“. Die gefürchtete 25% Steilsteigung, die uns umso steiler vorkommt, als wir direkt bergab darauf zu laufen. Ich gehe hinauf und wieder kommt mir bei aller Anstrengung der Gedanke, dass ich froh sein muss, hier hinauf laufen zu dürfen.
Das ist nicht mehr jedem Starter hier vergönnt. Der Himmel weint immer noch, oben nehme ich wieder langsamen Laufschritt auf. Eine Asphaltstraße hinab ins Fahlbachtal, dann die nächste Steigung, die aus einer ziegelsteingepflasterten Starße besteht und die sehr rutschig ist. Ich merke, dass mich hier inzwischen Leute überholen, die ich noch nicht wahrgenommen habe, aber das ist mir heute völlig egal. Plätze, Zeiten…..ein Mensch ist tot, mitten aus seinem und dem Leben seiner Lieben gerissen und dieser Mensch läuft unsichtbar immer mit. Zumal ich inzwischen ein Bild von der Läuferin vor Augen habe, das macht es persönlicher. Für Claudia muss es noch schwieriger sein, den sie hat auch noch ihre Stimme im Ohr, da sie mehrfach beieinander gelaufen waren und sich trotz aller Sprachbarrieren verständigt hatten. Die Strecke zieht sich nun über Feldwege immer stetig bergan, unterbrochen von kurzen Bergab-Passagen. Die Gegend hier ist ein Traum, kleine Wäldchen unterbrochen von ausgedehnten Weideflächen und Pferdekoppeln. Dazu der Dauerregen und die fleißigen Helfer an den Abzweigen, die hier ausharren und immer ein paar klatschende Hände für uns erübrigen. Ein paar Pferde laufen in der Koppel ein Stückchen mit mir mit. Es geht wieder einmal bergauf. Die Natur ist berauschend, selbst bei diesem Wetter. Ich bin dankbar, dies zu erleben und laufe irgendwie in einer anderen Welt. Aber der Tod läuft in meinem Kopf mit. Dieser Kontrast, das pralle Leben der laufenden Pferde und Menschen und das Wissen, dass da jemand irgendwo tot liegt und bald begraben werden wird, der eigentlich auch heute hätte hier sein müssen, ist irgendwie unbegreiflich. Ist sie über eine Grenze gegangen? Hatte sie Signale des Körpers übersehen? Übersehen wir immer wider selbst auch einmal welche? Fragen, auf die ich keine Antwort bekommen werde, die aber immer wieder kommen.
Dann eine Hauptstraße, dahinter führt mich mein Weg über eine gelbliche Schlammpiste wieder hinauf Richtung Steinbruch. Eine dicke Planierraupe kreuzt unseren Weg, oben werde ich wieder schneller. Ich sehe noch nicht einmal nach jedem Kilometer auf die Uhr, wenn diese piepst und mir wieder einen gelaufenen Abschnitt anzeigt. Dann bin ich am Buchholzer Waldgebiet, dem letzten Teilstück dieser kürzesten Etappe. Zu Beginn ein Wasserstand, ich trinke mein Dextro-Flüssig und laufe durch die verschlammten Fahrspuren hinein. Hier hat sich eine Läuferkette gebildet, es wird nur noch wenig überholt. Meine Salomon-Trailschuhe geben mir einen guten Halt, auch wenn die neongelbe Farbe immer mehr unter einer Schlammschicht verschwindet. Es geht immer weiter hinab, nicht steil, aber stetig. 60 Höhenmeter auf zwei Kilometern. Ich höre Lärm, die Talsohle ist erreicht, hier steht Traditionell eine Zuschauergruppe von Grün-Weiß Steinbeck, die und hier frenetisch anfeuert. Meinen Respekt, wie die hier im nassen Wald ausharren. Das gibt richtig Kraft und hebt ein wenig die melancholische Stimmung, zu der der Regen und der schwarze Schlamm, der gerade hier besonders ausgebreitet ist, beiträgt. Nun geht es wieder 50 Höhenmeter hinauf, über Single-Trails und Wurzeltreppen, dann ein Stück über eine breite Schlammpiste. Endlich wird es ebener. Dieter kommt wieder an mir vorbei. „Kommt da noch so ein Stück?“ fragt er mich und meint sicher die verschlammten Waldpfade. „Eins noch“ antworte ich ihm und lasse ihm passieren. Ich bin froh, dass ich hier und jetzt noch laufen kann. Ich akzeptiere mein Tempo, das ich hier von alleine laufe und verzichte auf jede gewollte Beschleunigung. Jeder Positionskampf käme mir so unendlich sinnlos vor angesichts des Leides, was unvermittelt über diesen Lauf gekommen ist. Das ist scheinbar meine Art, damit umzugehen. Andere laufen sich in einen Rausch und hämmern alles weg, auch das kann eine Form der Bewältigung sein. Man darf sich da kein Urteil erlauben, jeder fühlt sich anders betroffen. Ich schweife wieder ab zum Partner der Läuferin. Auch ich erwarte meine Frau hinter mir auf der Strecke, ich werde sie im Ziel erwarten. Niemals in Sorge. Und irgendwann kommt dann jemand nicht. Nie mehr.
Wir haben es fast geschafft, die letzten zwei Kilometer führen uns nochmal flach durch einen Wald, dann über die Straße in ein Wohngebiet von Dickenberg. Eine Unterführung unter der Hauptstraße, dann noch zwei Ecken, ich sehe den Schulhof. Dieter und ein weiterer Läufer, die ich bergab zur Unterführung eher zufällig überholt hatte, gehen wieder vorbei.
Ich bin in Gedanken und gehe über die erste Matte zwischen den Zuschauern durch Richtung Ziel. Ich nehme meine Mütze ab als respektvolle Geste, sinke kurz auf die Knie und sehe in den Himmel. Mir stehen wieder Tränen in den Augen und derer schäme ich mich nicht. Ich bin dankbar, dass ich her und heute laufen durfte. Der Zeitverlust ist mir völlig egal, als ich dann sie Ziellinie überschreite. Cousin Andre steht dort, wir umarmen uns. Ich denke, wir fühlen dasselbe.

Viel mehr gibt es nicht zu berichten von dieser anderen Etappe. Als Claudia ins Ziel kommt, schließe ich auch sie erst mal in die Arme und bin froh, dass wir uns haben.
Morgen ist ein neuer Tag. Die Sixdays gehen weiter. Es sind nicht mehr dieselben, aber irgendwie sind sie es doch.  Ich werde diesen Tag nicht mehr vergessen.

Für Karine....





Dienstag, 27. Mai 2014

Riesenbecker Sixdays - "Mettinger Montag" - mit trauriger Entwicklung

Es ist Montag – der „Mettinger Montag“ mit seiner unvergleichliche Zieleinkunft nach 2 Kilometern Zielschuss im netten Dorfkern. Ich bin ja schon etwas enttäuscht nach dem Zeit und Kraftverlust gestern auf der zweiten Etappe. Ich wurde auch auf Platz 132 durchgereicht. Der Tag ging um mit dem Schreiben meines Blogs, das ich auch immer nutze, meine Gedanken zu sortieren und den Vortag Revue passieren zu lassen. Fangen wir mit dem positiven der zweiten Etappe an. Ich habe es zeitweilig genießen können und mich unterwegs nicht unter Zeitdruck gesetzt. Das heißt ja nicht, dass ich nicht so schnell laufe, wie ich es meine zu können. Ich lies mich jedoch von der Uhr oder einer Vorgabe in ein höheres Tempo drängen, weil ich meine, diese nun laufen zu müssen. Landschaft, Wald und Berge mit und ohne Aussicht habe ich sehr wohl wahrgenommen. Ebenso habe ich für die vielen Zuschauer und Helfer ein „Dankeschön“ oder „Ihr seid super“ übrig gehabt.

Dennoch ist die Zeit für mich enttäuschend gewesen, zumal ich nahe am gefühlten Limit gelaufen bin. Heute geht es in die dritte Etappe, die Michael Brinkmann immer als „die schönste“ bezeichnet. Nun, dies kann nur von Läufer kommen, denen Höhenmeter nichts ausmachen. Ich als Niederrheiner empfinde die ständigen Anstiege als anstrengend. Es warten so schöne Abschnitte wie die „Adlersteige“, die „Schleppbahn“ und das „Gründkenliet“ auf uns. Aber auch ein Bahnübergang, wo ein Zug ab und an das Läuferfeld teilt. Dies wird Michael Brinkmann auch nicht müde, im Streckenbriefing auf der Busfahrt nach Tecklenburg zu erwähnen. Wer hier durch die Halbschranke läuft, wenn diese geschlossen ist, wird erbarmungslos gemeldet und disqualifiziert. Dies ist auch richtig, denn ein Bahnunfall wäre das Ende der Sixdays auf dieser unvermeidbaren Strecke.
Im Bus setzt sich Wolfgang zu uns, der ist vor vier Jahren öfter in meiner Gegend und vor zwei Jahren öfter mal mit Claudia gelaufen. Wir erzählen über unsere Ultra-Erlebnisse, er hat den Zugspitz-Ultra-Trail absolviert und von dort auch spannendes zu berichten. So vergeht dann die Busfahrt zum Start recht zügig. Dunkle Gewitterwolken sind aufgezogen, es ist aber noch durchaus zwanzig Grad warm und ziemlich schwül. Hoffentlich bleibt es zu Beginn trocken, sonst hätte ich mich in meiner Schuhwahl verzockt. Ich trage den Cloudsurfer von ON, ein flotter Schuh und gut zum bergablaufen, leider mit nicht viel Grip unter den Sohlen, wenn es ins Gelände geht. Matsch bergab würde Tempo kosten. Aber es bleibt trocken.
In Tecklenburg haben wir dann nicht mehr viel Zeit, es ist eng und voll in der malerischen Altstadt hoch oben auf dem Berg und wir knipsen nur eben mit Andre das traditionelle „Drei“-Startfoto, dann geht es in die Startaufstellung.


Hier ist es wichtig, schnell relativ vorne zu sein, denn nach knapp einem Kilometer geht es durch der Sunderner Waldgebiet auf einem schmalen Singletrail hinab. Es staut sich dort regelmäßig am Eingang und wer da zu spät kommt, kann dann bergab nicht überholen, was gerade schnelle Bergabläufer wie mich richtig Zeit kosten würde. Es geht los, durch die winkeligen Gassen geht es zunächst eine stramme Steigung hinauf zum Parkplatz, dann hinab zum Waldeingang. Bereits am ersten kleinen Anstieg ist mein Puls im GAT 1-Bereich, es füht sich aber bereits an wie das Maximum. Meine Beine wollen schin nach wenigen Metern nicht so richtig, der gleiche Mist wie am zweiten Tag also. Dabei wollte ich es doch heute mal ruhig laufen lassen. Aber noch sehe ich Chancen, wenigstens die zehn Stunden zu halten. Ich schaffe es recht gut in den Waldweg und lasse bergab „rollen“. Es ist bereits etwas modderig, das schaffe ich mit meinem Profil so gerade, ohne groß bremsen zu müssen. Den zweiten Kilometer durchgängig bergab schaffe ich in 4:21, aber ich merke schon an den Überholern, dass das nicht so schnell ist, wie ich gehofft hatte. Kilometer drei wird dann flacher, wir kommen aus dem Sundern-Wald durch den Ort Ledde, wo wir während unserer ersten Sixdays gewohnt hatten. Viele Zuschauer säumen hier den Weg. „da ist unsere Gruppe von gestern wieder, Duisburg ist auch dabei“ höre ich von hinten. Einige Läufer gehen an mir vorbei, ich wünsche ihnen einen guten Weg. Mitgehen versuche ich nicht. Dann geht es über die Hauptstraße auf Feldwege, hier beginnt dann der permanente Anstieg über die nächsten 11 Kilometer. Ich nehme bereits hier Tempo heraus, denn ich will heute ja konsolidieren. Dabei hoffe ich ja, dass es sich von alleine wieder einläuft. Anfangs scheint das auch so zu sein. Selbst den leichten bergauf-Kilometer 4 schaffe ich in 4:51. Dann kommt der erste Verpflegungsstand in Sicht, ich trinke kurz im Stehen einen Becher Wasser, denn durch die schwüle Luft bin ich bereits völlig nassgeschwitzt.  Der berüchtigte Bahnübergang ist in Sichtweite, neben mir ärgern sich zwei Läufer von Marathon Ibbenbüren, dass gerade Rot ist. „Der 18:26er hat wohl Verspätung“. „Aha, die haben Fahrpläne studiert“, denke ich. Macht ja auch Sinn. Ich bin froh, dass die Schranken gerade dicht waren, denn bis wir die 300 Meter absolviert haben, sind sie wieder offen. Glück gehabt. Nun führt uns der Weg wieder durch einen kleinen Wald, wieder bergauf. Ich gehe dann mal wieder und lasse mich überholen. Stefans Vater kommt vorbei mit den Worten „Du kommst gleich eh wieder an“ . Das verneine ich, denn mein Puls im oberen GAT 3-Bereich lässt mich pessimistisch auf mein Tempo ausblicken. Immerhin noch 5:43 auf diesem Kilometer, der 40 Meter Anstieg für uns bereit hielt. Die blonde Frau im roten Dress von gestern. „0ben angekommen“ wird es nicht besser. Es geht einen grasbewachsenen Feldweg entlang, man muss auf seine Füße achten. Claudia berichtete mir später, dass ihr hier ständig ihr Sturz vor einigen Wochen in den Sinn kam, der neben einer blauen Wangen und einer aufgeschürften Schulter- und Kniepartie eine schmerzhafte Rippenprellung zur Folge hatte, die immer noch nicht ganz abgeklungen ist.
Endlich sind wir wieder auf einem abschüssigen Stück Hauptstraße, die netten Helfer halten für uns den Verkehr an. Auch dafür gibt es von mir ein Danke im vorbeilaufen. Die Läuferin, die gestern in Rot mehrmals an mir vorbeiging und die ich erst am „Himmelreich“ letzmalig überholt hatte, läuft ein Stück neben mir. „Diesmal spiele ich nicht mehr mit“ murmele ich vor mich hin, sie hört es aber nicht. Macht auch nix. Denn nun kommt die „Adlersteige“. Ich liebe diese „legendären“ Streckenabschnitte mit den spektakulären Namen, auch wenn sie anstrengen, machen sie doch das Flair diese einzigartigen Laufes aus. Auf dem Aspahlt stehen mit Kreide die Namen der Läufer, am Rande klatschen überall Zuschauergruppen, während ich meine 85 Kilo im Gehschritt stramm nach oben wuchte. „Halbzeit“ steht da auf der Straße. Stimmt, etwas über 9 Kilometer sind schon geschafft. Das heißt auch, dass am Ende der endlosen Adlersteige dann die meisten Höhenmeter des Tages Geschichte sind. Endlich biegen wir links ab und es wird wieder flach. Der nächste Getränkestand wartet, dann geht es ins durch ein kleines Wäldchen ins Gründkenliet. Ein U-förmig ausgeschnittenes Wiesental, rechts und links bewundern grasende Kühe unser tun und es geht länger bergab. Eine blonde Läuferin vor mir, die bergauf immer Abstand gewinnt, kommt wieder näher. Ich überhole mal wieder einige Läufer, darunter auch einen im roten Shirt von irgendeinem Alpin-Ultra, dessen Rückseite die Schrift „45,195“ ziert An der Adlersteige war er im Laufschritt fast so schnell wie ich im Gehen, oben war ich dann schnell wieder dran. Aber die blonde Frau vor mir hole ich nicht mehr ein. Hier genieße ich mal wieder und lasse es rollen. Dennoch lässt mich das Gefühl des Frustes nicht völlig los. 4:27 für diese Bergab-Stück? Das ist zu langsam. Aber es will einfach nicht schneller gehen. Auch hier stehen immer wieder mal Zuschauergruppen, die klatschen, Rasseln benutzen oder auch nur zwei volle Bierflaschen aneinander schlagen. Prost!

Ich reiße ab und zu die Arme hoch, grüße zurück und versuche, mit denen zu kommunizieren. Das lenkt mich ab und bereitet mir Spaß. Schon haben wir wieder die Hauptsraße erreicht, es geht rechts über den Radweg, dann ein kurzes, steiles Stück duch ein Wäldchen bergauf. Dann die Schleppbahn, an deren Ende der scharfe Anstieg zur Holtkampsiedlung folgen wird. Auch hier relativ viele Zuschauer. An der Schleppbahn wird es etwas ruhiger, dafür ist am Steilanstieg zur Siedlung dann wieder der Bär los. Unter den Rufen der Zuschauer quäle ich mich den Anstieg hoch, 35 Höhenmeter auf knapp 400 Metern Strecke. Dann geht es durch die Siedlung, hier stehen auch viele Anwohner vor den Häusern. Ein älteres Ehepaar klatsch „Ihr seid Spitze“ rufe ich ihnen zu. „der ist sogar aus Duisburg“ höre ich hinter mir, als ich vorbei bin und meine Rückenaufschrift für sie lesbar wird lesbar wird. Der Riesenrespekt, der uns hier von allen Zuschauern entgegengebracht wird, ist schon etwas Besonderes. Das sollte ich, bei aller Unzufriedenheit über mein Tempo, hier nicht vergessen. Ein bisschen stolz wird man trotzdem, ich denke auch zu Recht. Dann kommt bereits das Autohaus mit dem letzten Getränkestand in Sicht, jetzt nur noch knapp 5 Kilometer, davon 2,5 bergab. Das geht jetzt! Mein Gel habe ich bereits auf der Schleppbahn getrunken, jetzt bin ich gespannt, was auf der folgenden Flachstrecke für ein Tempo geht. Leider enttäusche ich mich wieder. Geht Kilometer 14 noch in 4:51, schaffe ich auf Kilometer 15 nur noch 5:01 und 16 trotz Bergab-Passage“nur“ eine 4:41. Das Tempo ist weg. Und es scheint auch nicht mehr wieder zu kommen während dieser Sixdays. Zu sehr saugen mir die Anstiege, die ich nicht trainiert habe, die Kraft aus den Waden. Zu sehr nagt noch der Kräfteverbrauch aus Hamburg an meinen Reserve. Zusätzlich habe ich einen „Stein im Bauch“, der Resi mit den drei Brocken geschnetzeltem vom Mitagessen liegt mir im Magen. Ich könnte so rechts ins Kornfeld und mich kurz erbrechen, verzichte aber mit Blick auf die Zeit, die das koste würde, darauf. Die letzte Steigung liegt hinter mir, jetzt der Zielschuss nach Mettingen. Hier hatte ich vor 6 Jahren im strömenden Regen meinen Runners High! Zu Beginn überholt mich ein weiterer Läufer im Finisher-Shirt 2012. Nein! Den hole ich mir. Ich ziehe an und habe ihn schnell wieder. Was soll das? Warum tu ich das? Ich  bin so schrecklich ehrgeizig, dass ich hier dennoch um jeden Platz kämpfe. Einfach so dahinlaufen kann ich auf dieser Veranstaltung nicht. Claudia kann das gut uns sie ist umgerechnet hier sogar besser als ich.
Aber was nicht geht, geht eben nicht. Vor uns ein Krankenwagen mit Blaulicht, ich höre ein weiteres Martinshorn in der Ferne. Da liegt ein Läufer in Goldfolie gewickelt in der stabilen Seitenlage, zwei Sanitäter kümmern sich um ihn. Kein schöner Anblick. Er scheint bewusstlos und rührt sich nicht. Das relativiert für mich wieder den ganzen Ehrgeiz und die Quälerei. So möchte ich nicht aus dem Rennen gehen! Hoffentlich ist es nichts ernstes, es sah jedenfalls böse aus.
Show must go on, es geht weiter. Hört sich hart an, entspricht aber zunächst den Tatsachen. Wieder nur 4:21 im „Zielschuss“ ich erreiche Mettingen. Kurz über eine Straße, denn beginnt bereits der Zielkorridor voller Zuschauer. Gänsehautfeeling. Ich sprinte, oder was ich dafür halte. Immerhin 4:05er Pace auf den letzten 600 Metern flach. Im Ziel jubele ich, obwohl mich die Zeit wieder enttäuscht. 1:32:28, wieder schlechter sogar als vor 4 Jahren, damals gut 2 ½ Minuten schneller. Hinter mir kommen Mario und Christian ins Ziel, alte Weggefährten aus den ersten beiden Sixdays-Teilnahmen. Auch die habe ich damit schon m Nacken. Andre ist sofort bei mir und beglückwünscht mich, er war auch wieder schneller. Ihm gönne ich es wirklich, nach seinen vielen Problemen in  den letzten Jahren. Auch Birgit aus der Ausdauerschule ist wieder super gelaufen, mit einer 1:25er Zeit hat sie ihren Status als 4. Frau gesamt untermauert. Wir quatschen ein wenig mit Andre, Birgit und Mario und dann hole ich die Taschen. Schon steht meine Frau am Verpflegungsstand. Mit einer 1:41:11 war sie wieder ziemlich flott unterwegs. Wir müssen uns mit dem Zielfoto ein wenig beeilen, denn so trocken es unterwegs war, so stürmisch wird es plötzlich und der Himmel hat sich rapide verdunkelt.
Vom Winde verwehtes Zielfoto

Sobald das Foto im Kasten ist, ziehen wir uns etwas über. Auch Birgit aus unserer Hotel-Fahrgemeinschaft ist schon da. Leider verlaufen wir uns ein wenig auf dem Rückweg zum Auto, so dass wir ein wenig suchen müssen. Aber der Regen lässt auf sich warten und zieht dann doch vorbei. Glück gehabt. Nach der ersten Abendetappe nochmal kurz in die Hotelsauna und vor allem die Beine ins kalte Wasser gehangen, dann einen Teller Hühnersuppe und Vollkornbrot mit einem schönen Fruchtquark hinterher.

Die Ergebnisliste will auch noch studiert werden, ich bin auf 182 hereingekommen und wurde in der Gesamtliste auf 148 durchgereicht. Claudia hat sich schon auf Platz 37 bei den Frauen und auf 12 der AK vorgearbeitet. Bei ihr läuft es super. Was will ich jetzt noch damit? Warum laufe ich jetzt nicht einfach gemütlich? Weil ich für meine Zufriedenheit……….

Abbruch – während ich dies hier schreibe und mir Gedanken über Nichtigkeiten mache, lese ich, dass gestern ein Laufkollege aus der AK 35(!) kollabiert und verstorben ist. Der Tod hat zugegriffen. Wahllos und mitten unter uns hat er zugegriffen und einen jungen Sportler abberufen. Es muss entsetzlich für alle Angehörigen und Freunde sein, ihn bei einer Sportveranstaltung zu wissen und dann zu realisieren, dass er niemals zurückkehren wird. Während wir über Anstiege geflucht oder uns in einzelnen Positionskämpfchen verstrickt haben, starb einer von uns. Das ist schwer zu fassen.
Meine Gedanken werden heute bei dem unbekannten(?) Laufkollegen sein, vor allem aber bei seinen Angehörigen. Und es ist für mich kein Ausdruck der Missachtung, wenn der Lauf dann doch fortgesetzt wird. So ist es wohl im Sinne der Angehörigen, wie Organisationschef Michael Brinkmann gerade auf der Homepage verkündet. Es wird eine andere Etappe werden.....

In diesem Sinne zitiere ich den Song, der uns 2012 so emotional auf die Schlußetappe geschickt hat:

When you walk through a storm,Hold your head up high,And don't be afraid of the dark.At the end of a storm,There's a golden sky,And a sweet silver song of a lark. Walk on through the wind,Walk on through the rain,Though your dreams be tossed and blown... Walk On! Walk On! With hope in your heart,And you'll never walk alone... You'll never walk alone

Montag, 26. Mai 2014

Riesenbecker Sixdays - "Königsetappe" Ibbenbüren-Tecklenburg

Die „Königsetappe“ von Ibbenbüren nach Tecklenburg wartet an diesem sonnigen Sonntag auf uns. Michael Brinkmann – Mr. Sixdays – hat am Samstag im Rahmen seiner Moderation gesagt „Wenn Ihr diese Etappe habt, habt ihr zwar nicht die Hälfte, aber die Hälfte des Kraftaufwandes der Sixdays hinter Euch“. Ich wusste nicht, ob ich davor nun Angst haben sollte. Gefühlt lief es bei mir die ersten drei Male an diesem zweiten Tag trotz der „Berge“ ganz gut. Aber jetzt lief es gestern schon nicht so wie erhofft, mal sehen, was heute kommen würde.
Heute fahren wir alleine, denn Birgit aus unserem Hotel hat sich noch mit einem Bekannten verabredet. Da in Tecklenburg zeitgleich am heutigen Sonntag die Freilichtbühne an der Burgruine eröffnet und dort ebenfalls 2500 Gäste erwartet werden, sind sowohl der Zieleinlauf als auch die Parkplätze ein wenig verlegt. Das ist einerseits schade, nicht weil wir von den Parkplätzen am Waldfreibad nun ordentlich nach oben in den Ort laufen müssen und somit schon mal Höhenmeter an testen dürfen, andererseits aber auch, weil der alte Zieleinlauf die Schloßstr. hinunter zu den schönsten gehört, die ich kenne. Dafür erspart uns das neue Ziel die letzten Höhenmeter zur Jugendherberge, lassen wir uns also überraschen. Am Parkplatz werden wir toll von den Helfern eingewiesen, die uns auch gleich den Weg erklären. Wir kommen an einem Fussballplatz vorbei, wo sich gerade ein paar Kreisliga-Kicker „aufwärmen“. „Wenn‘s einfach wäre, würde es Fußball heißen“ sage ich zu Laufkollegen, die neben mir her den Berg nach oben zu den Parkplätzen marschieren. Der stimmt mir zu. Und so ist es. Während die Kicker nebenan wahrscheinlich noch den 11. Oder zwölften Mann herbeitelefonieren, weil der am Samstag auf der Piste war und 13 Uhr Anstoß einfach zu früh ist. Egal, wir sind Läufer, die meisten von uns waren früh im Bett und kaum einer wird den Samstag gezecht haben.
Die Busse warten bereits aufgereiht am Parkplatz, wir steigen ein und Michael Brinkmann brieft uns heute etwas ausführlicher für sie zweite Etappe. Norbert Knobbe aus dem Orga-Team fährt mit im Bus mit und erläutert uns unterwegs über Mikro noch einige Streckenabschnitte, an denen wir vorbeifahren. Dann sind wir da. Ludwigschule Ibbenbüren, 13 Uhr mittags. Die sonne steht hoch am Himmel. Die IVZ-Sonderzeitung mit den ersten Fotos und Ergebnislisten vom Vortag wird verteilt.
Auch das ist hier ein toller, aufwändiger Service! Dann treffen langsam Cousin Andre mit Family, Manfred, Tanja und andere Bekannte ein. Man redet sich ein wenig die Nerven ruhig, währen man sich startklar macht. Dann die Besuche auf den Schultoiletten, Gepäckabgabe am Hänger, und schon stehe ich mit Andre im Startblock. Ich will heute nicht so schnell los und wäre froh, wenn ich eine 4:35er Pace bis zum Berg hinbekäme. Die Startmusik erklingt, „Hölle, Hölle, Hölle“ . Auch „Atemlos“ verspricht und einen bald folgenden Körperzustand, dann schickt uns der Countdown auf die Piste.

Ich komme gleich schlecht weg, das Bucklige Profil der Groner Allee mach mir gleich zu schaffen. Auch wenn es sich mit meinen neuen Salomon X-Scream Citytrail an den Füßen nicht ganz so heftig anfühlt. Aber es geht leicht bergan, das hatte ich gestern in umgekehrter Richtung gar nicht so gemerkt. Dann unter der Autobahn durch und links abgebogen, es geht ein Stück über schattenlose Felder. Der Herrgott meint es gut mit uns, denn gerade hier verschwindet die Sonne hinter einer größeren Wolke. Kilometer eins ging bei mir in 4:34, fühlte sich aber schon wie Blei in den Beinen an. Kilometer zwei schon in 4:40, fand ich aber weiter anstrengend. Bereits hier verabschiede ich mich endgültig von allen Plänen und vergleichen mit Vorjahren. Ich muss hier so laufen, dass ich noch Spaß dabei habe. Eine Leistung wie 2012 wird hier aus bekannten Gründen nicht möglich sein. Zuviele Körner hat Hamburg gekostet. Birgit und Dieter kommen schon an mir vorbei. Ich lasse sie laufen. Birgit ist eine Kanone. Vor zwei Wochen noch Bödefeld-Ultra, jetzt misct sie hier schon das Frauen-Feld auf. Die Berge gleich werden ihr liegen. Es sind hier viele Zuschauer an der Strecke, eine tolle Stimmung trotz des Feldweges. Danngeht es endlich rechts ab, den ersten Berg hinauf. Schnell muss ich gehen, denn die Straße zieht sich steil durch den Wald. Stefans Vater läuft an mir vorbei. „Stimmt, viel langsamer ist das auch nicht“ sagt er zu mir und erläuft sich nur rund 10 Meter Vorsprung. Dann ist der Wald geschafft, es geht etwas moderater über einen Feldweg zum Kamm des Teuto. Auch hier wieder viele Zuschauer, die einen Heidenlärm veranstalten. „Müsst Ihr immer da stehen, wo wir am besch….. aussehen?“ scherze ich die Zuschauer an, während ich langsam wieder den Trab aufnehme. „Hier sehen wir Euch länger“ ruft ein Zuschauer mir nach. Tolle Atmosphäre. Ich merke, dass das Gehen mir nun eine schnellere Tempoaufnahme ermöglicht, ich überhole wieder einzelne Läufer.

Ich schätze mich jetzt etwa auf Position 150, ich werde heute grandios nach hinten gereicht, das ist mir hier schon klar. Immerhin bin ich in 6:17 den Kilometer 4 in praller Sonne und 60 Höhenmetern hochgekommen. Es wird ein kurzes Stück gerade, dann geht es auf der Südseite des Teutos wieder hinab. Ich lasse wieder laufen, muss beim Überholen ab und an aufpassen. Berab rennen ohne Rücksicht auf Verluste konnte ich schon immer gut, ich laufe keine Gefahr, umzuknicken. Stabi sei Dank! Mit dem neuen Schwung komme ich nun phasenweise gut ins Rennen. Stefans Vater ist immer kurz vor mir, kommt aber auch nicht weg. Auch Dieter sehe ich noch vor mir aam ersten Verpflegungsstand. Dort trinke ich im laufen meinen Schluck Wasser, dann geht es durch die Sonne links ab und wieder leicht bergan. Die Kilometer 5 bis 10 führen nun im Wechsel von Wald- und Feldabschnitten am Südhang des Teutos leicht ansteigend Richtung Brochterbeck. Rechts eine Kuhwiese, einige dicke braune Kühe sehen kauend gelangweilt zu uns herüber. Auch ein tolles Publikum. Es riecht leicht nach Mist. Aber das ist schnell vorbei. Hier ist es recht einsam und ich habe auch keine Gruppe. Mal kommen welche von hinten vorbei, mal gehe ich an welchen vorbei. Aber niemand hat mein Tempo. Ich bewege mich hier immer so zwischen 4:45 und 5er Pace, je nach Profil. Hier im Schatten duftet es nun nach Wald, ich beginne, mich für Minuten einfach mal in den Lauf „fallen zu lassen“. Zeiten und Ziele sind im Moment weit weg, ich laufe nur noch und erlebe bewusst den Licht- und Schattenwechsel. Irgendwann ist es damit vorbei, ich habe zwischen Km 6,5 und 10 so 25 Höhenmeter entlang des Berghanges gewonnen, die geht es nun wieder hinab nach Brochterbeck. Norbert hatte uns im Bus auf eine Baustellenampel dort hingewiesen, an der wir gegebenenfalls zum Halt aufgefordert werden könnten. Aber zunächst erwartet uns im Dorfkern wieder eine tolle Stimmung samt Trommelgruppe. Leider auch ein uneinsichtiger Autofahrer, der die Sperre der Helfer ignoriert und sich durch uns Läufer schlängelt. Ich trinke mein Dextro-Flüssig, denn gleich kommt der heftige Anstieg. Erst noch der zweite Wasserstand, ich halte kurz für einen Becher an, denn ich möchte ihn nicht hälftig verschütten. Das es danach noch mal kurz hochging, hatte ich nicht mehr auf dem Schirm. An der Baustellenampel habe ich Glück, ich komme sofort durch. Dann geht es steil in den Wald den Berg wieder hinauf. 110 Meter auf 1 ½ Kilometern. Mein strammer Gehschritt verhindert hier nicht, dass einige Läufer wieder an mir vorbei gehen. Auch eine blonde Frau in rotem Dress, die mich auf dem ersten Anstieg das erste Mal überholt hatte und die ich dann ober wieder „kassiert“ hatte, ist wieder vorbei. Oben gemeint angekommen zu sein, geht es noch über einige Felsstücke, dann rechts ab Richtung Waldkapelle. Oben sind wir nämlich doch noch nicht angekommen. Es geht vorbei an der Waldkapelle, wo einige Zuschauer auf uns warten, auf dem Gratweg, dann endlich mal kurz und knackig bergab und nach wenigen Metern eine 90-Grad-Linkskurve wieder hinauf. Ich trete fast einem der Zuschauer in der Kurve auf den Fuß, weil ich soviel Schwung habe. Der hält sich leider nicht lange, den nun geht es entlang des Nordhanges über weichen Waldbogen stetig auf und ab Richtung Tecklenburg. Meine Beine werden hier nicht mehr leicht, wie noch hinter dem letzten Berg. Ich bemühe mich, Anschluss zu halten an die Läufer vor mir, es gelingt mir nur teilweise. Dennoch fliegen die Kilometer so dahin. Ab und an grinst mich zur Linken das Ibbenbürener Kohlekraftweg hoch oben auf dem Berg an, einer der "höhepunkte" der 5. Etappe. Ich trinke mein zweites Dextro-Flüssiggel, hat es mir beim ersten Male noch einen Kick gegeben, bleibt der diesmal aus. Aber vielleicht hat es ja Schlimmeres verhindert. Der letzte Wasserstand, dann geht es nach Tecklenburg. „Geht es jetzt gleich runter?“ fragt mich eine blau gekleidete Läuferin, die schon eine ganze Zeit in „meiner Gegend“ läuft. „Erst mal noch kräftig hoch“ verkünde ich während wir rechts auf die Straße nach Tecklenburg abbiegen, die sich den Berg hinauf zieht. Das schien nicht für Entzücken hinter mir gesorgt zu haben. Hier kann ich aber den Trab beibehalten . Aber es kommen wieder Zuschauer, die unsere Kletterei mit rythmischem Klatschen begleiten. Toll!  . Durch die geänderte Zielführung sehe ich nun vor dem Abzweig zum legendären Hexenpfad auf der anderen Seite die ersten Läufer in die Zielstraße einbiegen. Ich bin erstaunt, wie viele das schon sind. Auch die Stimme von Michael Brinkmann höre ich bereits, als ich steil nach rechts hinab auf den Hexenpfad geschickt werde. Hier geht es einen steilen, U-förmig eingeschnittenen Waldweg mit Wurzeln und Steinen und kurzen Treppenabschnitten hinunter. Ich rufe wieder mein fast schon traditionelles „Hexenpfaaaaad – yeah!“ und stürze mich hinab. Wir verlieren 90 Höhenmeter auf 800 Metern, alles im Bewusstsein, das gleich wieder hinauf zu müssen. An den Treppenstufen werde ich leider von einigen Läufern eingebremst, die vorsichtiger als ich den Berg herunter laufen und ich muss dahinter bleiben. Am alten stillgelegten Bahnhof empfangen uns wieder Zuschauer, dann geht es in den Wald Richtung Königsteiche. Auch hier steigt der Waldweg mal gleich wieder dezent an und ich komme nicht mehr auf Tempo. Beine schwer wie Blei, mental wenig Motivation, weil die Zeit ja ohnehin im Eimer sein muss. Ich wundere mich, dass Andre noch nicht an mir vorbei ist. Dann endlich die Kreuzung an den Eisenbahnschienen, es geht zwischen den Teichen wieder Richtung Berg. Mein Verdauungstrakt macht leider auch Probleme, die sich natürlich durch den Einteiler, den ich heute tragen, nicht verringern. Eben mal austreten ist nicht. Egal, bis zum Ziel muss es gehen. Das „Himmelreich“ wartet auf uns. „Himmelreich bedeutet hier 80 Höhenmeter auf 900 Metern, aber im Bewusstsein, dass das Ziel dann nah ist. Ich gehe wieder hinauf, die beiden Frauen in rot und blau gehen wieder vorbei, einige andere auch noch. Ich habe nicht die Kraft, dagegen an zu kämpfen und setze auf das letzte Flachstück. Mit kurzen Trabpassagen gelingt mir dieser Kilometer noch in 6:31, dann wird es endlich flacher. Die rote Frau habe ich recht schnell, an der blauen habe ich noch zu kämpfen.
Noch zweihundert Meter, ruft mir ein Helfer zu, als ich den alten Zielabschnitt hinauf zur Jugendherberge passiere. Hier schenkt man uns großzügig die letzten 20 Höhenmeter. Ich ziehe an. Die Frau in Blau kommt näher, es geht rechts hinab. Der Abschnitt der Strecke ist neu. Über eine Wohnstraße geht es zunächst hinunter, dann wieder leicht hoch in die Altstadt. Was bin ich froh, dass ich gleich da bin. Die Uhr steht am Rand, bevor ich das Ziel sehen kann…..1:48? Das wäre 9 Minuten schlechter als im letzten Jahr. Gott sei dan war es dann nur eine 1:45, meine Augen sind schlechter geworden und meine Fernsichtbrille trage ich beim Laufen nicht. Ich ziehe an und sehe das Ziel. „Alter Schwede“ zitiere ich Frank Pachura als erstes, nachdem ich das „Thomas Kühnen von der BSG Sparkasse Duisburg“ aus den Lautsprechern gehört habe. Geht doch, Michael. Aber heute ist ja auch nicht die „Volksbank-Etappe“ ;) . Im Ziel bekomme ich ein Buff als Geschenk in die Hand gedrückt. Auch dass ist hier immer ganz toll, gestern gab es eine Fleece-Mütze, heute ein Buff. Dann kommt Andre und beglückwünscht mich. Er ist super gelaufen, 1:42 und damit in der „Familienwertung“ wieder vorne. Ich habe eine 1:46 erreicht. Jemand hängt mir eine Medaille um und gratuliert. Seit wann gibt es hier Medaillen? Es ist Reiner von der Facebook-Gruppe Running Lions, ein Laufbekannter mit seiner Tatjana. Die sind extra hierher gereist, um uns mal anzufeuern und um die Luft der Sixdays zu schnuppern. Die Medaille ist ein Butterkeks aus Kunststoff mit meinem Namen drauf. Eine tolle Sache, die mich riesig freut. Aber erst einmal muss in ungemütlich werden und den etwas längeren Weg zur Taschenrückgabe nehmen, denn darin ist meine Kamera und ich möchte Claudias Zieleinlauf knipsen. Leider ist es bereits zu spät. Claudia erwartet mich bereits am Verpflegungsstand. Sie hat eine gute 1:57er Zeit gelaufen und dürfte sich damit noch im Feld verbessert haben. Irgendwie hat sie Hamburg besser weggepackt als ich. Aber das kann auch die Euphorie der Bestzeit dort bewirken.
Wir quatschen noch ein wenig mit Reiner und Andre samt Anhängen, dann geht es den weiten Weg zurück zum Parkplatz. Der tolle Zieleinlauf hat seinen Preis. Wir wollen abends noch in Riesenbeck die traditionelle Vortragsveranstaltung besuchen und vorher essen gehen, mit dem Kurzsaunagang in unserem Ferienhaus wird das dann eine zeitlich enge Kiste.

Das Resultat hat mir diesmal echt zugesetzt. Ich muss am Montag erst mal wieder sehen, dass ich mich konsolidiere und wieder locker ins laufen kommen. Den Blick auf die Uhr sollte ich mir sparen, aber ob mir das gelingt?
Hier nochmal ein Wort zur Vortragsveranstaltung. Ich finde es eine tolle Sache, dass Michael Brinkmann sich bei all dem Stress noch die Zeit nehmen kann, diese überhaupt zu veranstalten. Der Besuch ist immer relativ übersichtlich, zieht man die Helfer einmal ab. Hier berichtet Dr. Schomaker von der Uni-Klinik Münster konzeptfrei über Ernährung und andere Substitutionsprobleme beim Ausdauersport. Insbesondere geht es ihm um das "zuviel" Trinken, was sehr in Mode gekommen sei und gefährlicher, als die gefürchtete Dehydrierung. Nachdem einzelne Fragen beantwortet sind, erzählt Michael Brinkmann noch einiges über die Organisation der Sixdays. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, von der Moderation, vom heranholen und dabeihalten der Zuschauer und von der Musikauswahl bei Start und Ziel. Na ja, dann hatte es ja seinen Sinn, dass Claudia gestern "Atemlos" über die Ziellinie kam.....
An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön nochmal an alle Helfer, die hier wirklich mehr sind als nur Streckenposten.
Die Liste, die während der Veranstaltung online geht, bestätigte dann meine Befürchtungen. Bin auf Platz 158 gelandet und somit schön durchgereicht worden. In der Gesamtwertung nun nur noch 132. Auch die 10 Stunden sind in gefahr, wenn ich mich hier nicht am Riemen reiße.  Ich will es weiter versuchen. Aber es wird ein Kampf bleiben.
Mehr Fotos gibt es hier:
http://www.riesenbecker-erlebnislaeufer.de/riesenbecker-sixdays-2014/fotos/2-etappe-riesenbecker-sixdays/


Riesenbecker Sixdays - "Prolog" Riesenbeck - Ibbenbüren

Da sind wir. Pünktlich gegen halb elf am Samstag morgen beziehen wir unser Ferienhaus „Schneewittchen“ – leider ohne die sieben Zwerge, aber dafür schreit auch keiner „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen“ oder gar „Wer hat in meinem Bettchen geschlafen“. Obwohl…..da sitzt noch jemand im Wohnzimmer, auf gepackten Taschen. Es ist Birgit aus Neuss, die wir hier schon die letzten zwei Male als Nachbarin und Sixdays-Läuferin kennengelernt hatten. Sie ist Freitag schon angereist und sollte mangels Hotelzimmer eine Nacht im noch freien Ferienhaus verbringen, ehe sie nun für den Rest der Woche auf’s gebuchte Hotelzimmer wechselt. Zur Erleichterung der Hotelinhaberin trinken wir dann erst nochmal gemeinsam Kaffee und quatschen übers Laufen, da konnten sie in Ruhe noch das Zimmer fertigmachen. So ist das hier halt immer, bei unserer nun schon vierten Teilnahme, man kennt immer mehr Leute.
Halb eins fahren wir dann zusammen zum Ziel nach Ibbenbüren, die Transferbusse warten schon und wir steigen in den zweiten ein. Michael Brinkmann, Organisator des Laufes wie auch des Münster-Marathons, kommt wie immer in jeden Bus und hält heute ein extrem kurzes Briefing ab.
Erneut warnt er „die Herren unter uns“ vor dem „wilde“ verklappen von Dünnsäure in der Botanik, des sei it 35 € Ordnungsgeld belegt und das Ordnungsamt der Gemeinde sei mit verstärktem Personal vor Ort. Es stünden ja die Schultoiletten am Start zur Verfügung. Ok, für Frauen wäre das dann mit der otanik also kein Problem, denke ich mir schmunzelnd, während der Bus sich in Bewegung setzt.
Angekommen in Riesenbeck sehen wir gleich meinen (Groß-)Cousin Andre. Der hat uns mit seiner Teilnahme 2006 hier angefixt und 2008 mitgenommen, seitdem sind wir hier gemeinsam am Start. Leider hat er in den letzten zwei Jahren mit gesundheitlichen und zeitlichen Problemen zu kämpfen gehabt, er wusste bis vor kurzem noch nicht, ob er den Start hinbekommen würde. Aber jetzt ist er doch da, mit Frau Anna als Support und seinen beiden Kindern. Es beginnen die üblichen Vorbereitungen, man trifft den einen oder anderen Läufer. Auch Stefan ist wieder da und spricht uns an. Diesmal nicht für Eintrachht Frankfurt Triathlon sondern Wohnortbedingt für Hannover 96 Triathlon am Start. Er war beim letzten Mal dann mal gleich zum ersten Mal am Start und ziemlich vorne dabei gewesen.
Auch die Startmusik ist hier Kult und immer aus dem gleichen begrenzten Repertoire. „I will Survive“, „Wahnsinn“ und die Trommeln des Safri-Duos dürfen einfach nicht fehlen. Kurz vor dem Start sehe ich dann endlich Birgit und Dieter, die ich aus der Ausdauerschule „mitgebracht“ habe und die(Birgit) ich bei den Frauen auch mit vorne sehe. Wir besprechen, eine 4:30 bis 4:40er Pace anzugehen, wobei ich weiß, dass Birgit schneller sein wird als ich. Für mich ist das hier drei Wochen nach dem Hamburg-Marathon ein Überraschungspaket, ich will mal mit 4:30er Pace angehen, glaube aber jett schon nicht, das durchhalten zu können. Los geht es, leicht bergab auf die Hauptstraße, ein Stück durch Riesenbeck und dann raus auf die Feldwege. Habe heute meine Adizero Boost an, die schnellen Schuhe mit wenig Dämpfung. Das verleitet mich dann offensichtlich dazu, den ersten Kilometer dann mal gleich mit 4:02 rauszuhauen. „Du bist irre“ sagt mir mein Alter Ego und fordert mich auf, zu bremsen. Die Sonne scheint, es ist etwas über 20 Grad, aber windig. Was für die Erfrischung gut ist, ist für die Beine bekanntlich schlecht, denn im ersten Teil auf den Feldern bläst der Wind von vorne bzw. schräg vorne. Über 4:24 auf dem zweiten und 4:26 auf de dritten Kilometer habe ich es dann endlich geschafft, so halbwegs auf die Pace abzubremsen, die ich angehen wollte. Birgit kommt herangelaufen, wir unterhalten uns kurz. „Ich denke, so 4:30 – 4:40?“ fragt sie mich. „Ich bremse gerade darauf runter“ melde ich zurück. Dann lasse ich sie laufen. Denn mir fallen die 4:33 jetzt schon schwer, nach nicht ganz fünf Kilometern. Also beschließe ich vernünftig zzu sein und stelle meine  virtuellen Tempomacher an meiner Uhr auf das neue Soll von 4:40/Kilometer. Das hilft meinem Kopf. Um mich herum einige bekannte Gesichter aus den letzten Jahren, hier gibt es einige, die laufen alle zwei Jahre exakt den gleichen Stiefel herunter, immer dasselbe Tempo, immer dieselbe Platzierung. Leider bildet sich bei mir mal wieder keine Gruppe, ich bin die Gruppe. Der Weg verliert den Asphalt und wird sandig, es geht Richtung Doofmund-Ems-Kanal. Über ein Stück Wiese führen meine Schuhe mich die Böschung hinauf, dann auf den schlecht geschotterten Fahrspuren den Kanal-Wirtschaftsweg entlang. Hier kommt der Wind endgültig von vorne. Mit Kilometer 9 verfehle ich dann hier gleich mall schon die 4:40er Vorgabe, aber es ist mir erstaunlicherweise egal. Hamburg fordert seinen Tribut, das merke ich schon hier. Und so viele, wie am Start schon deutlich schneller abgingen zeigten mir, dass das Niveau mal wieder gestiegen statt gesunken zu sein scheint. Die paar Meter hoch zur Kanalbrücke bewältige ich schnell, dann geht es von dort wieder hnunter und noch 5 Kilometer flach weiter. Aber ich sehe schon den Kamm des Teuto, über den wir gleich einmal hinüber nach Ibbenbüren müssen. Ich trinke mein Dextro flüssig so nach 11 Kiometern, danach geht es mir schnell wieder etwas besser. Placebo oder echte Wirkung ist mir relativ egal. Der Weg ist aber hier dann wieder nicht mehr asphaltiert und erstaunlicherweise modderig. Da sind meine Adizero jetzt nur bedingt geeignet. Also wieder mal „nur“ 4:42er Pace. Dieter, Birgits Begleiter, kommt von hinten vorbei. Auch er ist vor zwei Wochen wie Birgit in Bödefeld Ultra gelaufen, hat es sich aber besser eingeteilt. Er geht vorbei, ich sage ihm, er soll mal laufen. Ich würde an den morgigen Tag denken und es nun etwas ruhiger angehen lassen. Aber es wird gar nicht ruhiger, im Gegenteil. Kaum habe ich Asphalt unter den Sohlen werde ich wieder schneller. 4:34 und 4:40, ehe es dann rechts ab durch einen Fachwerk-Bauernhof auf den langsamen Anstieg zum Teuto geht. Es ist ein Feldweg, ziemlich zugewachsen. Die Fahrspuren Sandig, die Mitte buckelig mit Gras bewachsen. Ich werde langsamer. Jetzt kommen bereits einige einheimische „Bergziegen“ vorbei. Sollen sie, abgerechnet wird im Ziel. Ein Stand, an dem Schwämme gereicht werden, die man am Anstieg gut nutzen kann, hilft weiter. Es wird steiler. Es wird schattig, ich bin im Teutoburger Wald. Cousin Andre schließt zu mir auf. Für ihn freut es kich, aber für meinen Anspruch eigentlich zu wenig? Ich sage noch „komm dann mal mit“ und weiter geht es. Mein strammer Gehschritt berauf ist offensichtlich noch bekannt, ein anderer Läufer spricht mich beim Überholen an. „Du kommst doch gleich eh wieder von hinten, wenn wir oben sind“. „I hope so“ denke ich und wuchte meine 85 kg Schritt für Schritt höher in den Wald. Andre bleibt hinter mir. Oben angekommen, bin ich tatsächlich schnell wieder im Tempo. Auch hier ist es teilweise matschig, aber schnell verlassen wir wieder den Hermannsweg und „stürzen“ uns talwärts. Ich lasse laufen und gebe richtig Gas. Leider ist der Weg hier mit dicken, spitzen Steinen bewehrt, die noch von ein paar Wurzeln unterstützt werden. Der Läufer vor mir kann gerade noch ein Umknicken vermeiden. „Da wären die Sixdays fast schon vorbei gewesen“ rufe ich ihm im Vorbeirasen zu und von hinten  gibt er mir Recht, während ich beim vierten Mal darauf vertraue, dass meine Füsse den weg schon wieder finden würden. Und das tun sie. Ich hatte bergab bis auf 3:12 beschleunigen können, das macht Mut und gibt wieder Schwung. Und jetzt überhole ich mal wieder richtig. Es wird flacher, ich biege auf die Groner Allee ein, die mich gerade ins Zentrum und zum Ziel führen soll. Gruppe u Gruppe laufe ich ab, selbst auf der Katastophen-Kopfsteinplaster-Buckelpiste Groner Alle schaffe ich es, unter 4:30 zu bleiben. Dann die letzte Hauptstraße bis zur Fußgängerzone. Es kann nicht mehr weit sein. Dieter sehe ich so fünfzig meter vor mir, verkneife mir aber den Sprint, ihn einzuholen. Es ist ein Etappenrennen. Dann stelle ich fest, dass das Ziel noch garnicht das Ziel ist. Es geht nochmal rechts ab und leicht heran durch die Fußgängerzone, vorbei an Eis schleckenden Einkäufern. Aber auch vielen Zuschauern. Dann habe ich es geschafft. Michel Brinkmann sagt mich von seiner Bühne aus an.
„Thomas Kühnen aus Duisburg, zum vierten Mal dabei.“. Der Mann ist wie immer bestens vorbereitet, die BSG Sparkasse verkneift er sich, aber die Volksbank ist ja auch Etappensponsor. 1:28:18, gut vier Minuten langsamer als vor zwei Jahren. Aber auch 3 – 400 Meter mehr gelaufen. Ich freue mich. Andre kommt kurz nach mir rein, ich habe im noch fast 1,5 Minuten auf den letzte 3 Kilometern abnehmen können. Dann beginnt das Warten auf Claudia. Sie kommt, kurz nachdem Tanja von Jogmap Ruhr im Ziel ist und mir sagte, dass sie gleich eintreffen müsse. Knapp unter 1:43 ist auch für Claudia eine gute Zeit.




So, der Rest folgt morgen, denn ich muss mich schon wieder fertig machen. Die „Königsetappe“ nach Tecklenburg wartet. Ich bin gespannt.

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