Die 4. Etappe von Mettingen nach Dickenberg wird gemeinhin
als „Etappe der Wahrheit“ bezeichnet. Dieses Jahr stand sie unter anderen Vorzeichen.
Gegen Mittag in unserem Ferienhaus erhielt ich Nachricht von einem Freund, der
hier vor zwei Jahren mit uns mitgelaufen war. Was denn los sei, Läufer
verstorben! Ich ging sofort ins Netz, was in unserem Haus leider nur von einer
Dachkammer möglich ist, und war schockiert. Sofort dachte ich an den Läufer,
den ich hatte kurz vor dem Ziel in Mettingen liegen gesehen. Aber der war es
nicht, wie sich herausstellte. Ich werde hier nicht alle Informationen, die ich
habe, niederschreiben. Hier geht es mehr um meine Gefühle, die ich dem Leser
mitteilen möchte. Also schreibe ich nur über Dinge, die öffentlich verkündet
oder geschrieben wurden. Diese sehe man mir bitte nach.
Wir sind hier unter Läufern und das ist wie eine große
Familie. Schon einmal, während des Silvesterlaufes von Werl nach Soest 2011
haben wir am Straßenrand sehen müssen, wie ein Läufer kollabiert war und dann
später erfahren, dass er es nicht geschafft hatte. Aber für mich ist es dennoch
etwas anderes, ob dies bei einer Tagesveranstaltung mit über 5000 Teilnehmern
geschieht oder bei einem familiären Etappenrennen wie hier bei den Sixdays, wo
wir mit 600 Leuten an den Start gingen, wo man sich täglich wiedersieht, sei es
auf der Strecke, an Start und Ziel oder beim Bustransfer und wo alle irgendwo
die gleichen Dinge erleben und erleiden.
Ein Rennabbruch durch den Veranstalter ging mir sofort durch
den Kopf und dafür hätte ich Verständnis gehabt. Wenngleich ich es mir selbst
nicht gewünscht hätte, bin ich doch der Meinung, dass einem Läufer am meisten
Ehre durch das Laufen zuteil wird. Für mich ist es auch die bessere Form der
Verarbeitung. Mit einem Mal wurden schlechter
werdende Ergebnisse und meine kleinen mentalen Probleme damit völlig unwichtig.
Eine von uns ist nicht mehr!
Wie bestellt setzte nun auch grauer Himmel und Regen ein.
Claudia und ich beschlossen unabhängig voneinander, in schwarz zu laufen, um so
unsere Anteilnahme zu bekunden, als schnell via Facebook und Homepage des
SV-Teuto die Fortsetzung des Laufes verkündet wurde. Es sei der Wunsch der
Angehörigen gewesen und es sei so auch im Sinne der Verstorbenen.
Die Abfahrt der Busse fand nur wenige Meter von unserer Unterkunft
entfernt statt. Wir saßen wie am Vortag wieder mit Wolfgang zusammen, der den
Vorfall aus der Nähe mitbekommen und weitere Dinge berichten konnte.
Entsprechend gedrückt war bereits die Stimmung. Dann bestieg Orga-Chef Michael
Brinkmann den Bus und berichtete uns im Detail mit bewegter Stimme vom Tod der
Läuferin. Es war mucksmäuschenstill. Bereits hier kamen auch mir die ersten
Tränen. Er bat uns um einen eine Minute dauernden Applaus vor dem Start, so wie
es sich die Angehörigen der Läuferin gewünscht hätte. Heute würde es im Ziel
ruhiger zugehen. Aber ab morgen sollten wir wieder ins Rennen kommen und am
Donnerstag feiern. So sei es gewollt. Michael genießt in seinem Umgang und seiner Sensibilität hier meinen allergrößten Respekt. Das ist ganz groß, wie er hier damit würdevoll, und doch nach Läuferart damit umgeht.
Claudia und ich waren betroffen. Einige Läufer benahmen sich
wie immer, viele waren deutlich ruhiger. Ich möchte das gar nicht werten, jeder
geht damit anders um. In Mettingen trafen wir Cousin Andre mit Familie, der
auch sehr mitgenommen wirkte. Dann wurden wir in die Startaufstellung gebeten. Eine
Erklärung der Angehörigen wurde verlesen. Es handele sich bei der Verstorbenen um
eine Läuferin aus der aus Frankreich angereisten Guppe. Sie hieß Karine und
lief in der AK W35. Sie war eine durchtrainierte Marathon- und Ultra-Läuferin. Sie
litt an keinem Infekt und es ging ihr gut. Und dennoch verstarb sie bei der
Ausübung dieses wunderbaren Sports. Die Gruppe würde nun alleine abreisen,
versprach aber, in zwei Jahren wieder zu kommen. Karine würde uns von oben
zusehen. Anstelle der Schweigeminute begann nun der Applaus. Laut, ansteigend
und in einen stakkatoartigen Rhythmus übergehend. Das war der emotionalste
Moment, den ich im Rahmen diese Sports erlebt habe. Die Läufer, das Klatschen,
die Begleiter von Karine neben Michael Brinkmann, der Dauerregen, den kein
Hollywood-Regisseur weggelassen haben würde. Die ehrwürdige Kirche von Mettingen
neben uns gab der Szene einen würdevollen Rahmen.
Hier wurde eine von uns verabschiedet. Unwichtig der Countdown und der Startschuss unmittelbar danach. Es war eine große Verabschiedung. und mir war, als spüre ich die Blicke der Verstorbenen, die uns beim Loslaufen zusieht.
Hier wurde eine von uns verabschiedet. Unwichtig der Countdown und der Startschuss unmittelbar danach. Es war eine große Verabschiedung. und mir war, als spüre ich die Blicke der Verstorbenen, die uns beim Loslaufen zusieht.
Gleich zu Beginn geht es in Mettingen relativ steil bergauf.
Ich war ohnehin weiter hinten gestartet, weil ich vor dem Start bei Claudia
sein wollte. Ich ging hinauf, dann ein relativ kurzes Straßenstück, ehe die
Strecke in einen Wald führte, wo uns Schlamm und Modder erwarteten. Gut, dass
ich die Trailschuhe anhatte. Ich ließ es bergab durch die Matsche laufen, immer
wieder jedoch die Gedanken im Kopf, dass jemand im Rennen fehlt. Dieter von der
LG Mülheim läuft vor mir, auch er flucht über den morastigen Weg. Dann sind wir
im Tal und laufen vor „die Wand“. Die gefürchtete 25% Steilsteigung, die uns
umso steiler vorkommt, als wir direkt bergab darauf zu laufen. Ich gehe hinauf
und wieder kommt mir bei aller Anstrengung der Gedanke, dass ich froh sein
muss, hier hinauf laufen zu dürfen.
Das ist nicht mehr jedem Starter hier vergönnt. Der Himmel weint immer noch, oben nehme ich wieder langsamen Laufschritt auf. Eine Asphaltstraße hinab ins Fahlbachtal, dann die nächste Steigung, die aus einer ziegelsteingepflasterten Starße besteht und die sehr rutschig ist. Ich merke, dass mich hier inzwischen Leute überholen, die ich noch nicht wahrgenommen habe, aber das ist mir heute völlig egal. Plätze, Zeiten…..ein Mensch ist tot, mitten aus seinem und dem Leben seiner Lieben gerissen und dieser Mensch läuft unsichtbar immer mit. Zumal ich inzwischen ein Bild von der Läuferin vor Augen habe, das macht es persönlicher. Für Claudia muss es noch schwieriger sein, den sie hat auch noch ihre Stimme im Ohr, da sie mehrfach beieinander gelaufen waren und sich trotz aller Sprachbarrieren verständigt hatten. Die Strecke zieht sich nun über Feldwege immer stetig bergan, unterbrochen von kurzen Bergab-Passagen. Die Gegend hier ist ein Traum, kleine Wäldchen unterbrochen von ausgedehnten Weideflächen und Pferdekoppeln. Dazu der Dauerregen und die fleißigen Helfer an den Abzweigen, die hier ausharren und immer ein paar klatschende Hände für uns erübrigen. Ein paar Pferde laufen in der Koppel ein Stückchen mit mir mit. Es geht wieder einmal bergauf. Die Natur ist berauschend, selbst bei diesem Wetter. Ich bin dankbar, dies zu erleben und laufe irgendwie in einer anderen Welt. Aber der Tod läuft in meinem Kopf mit. Dieser Kontrast, das pralle Leben der laufenden Pferde und Menschen und das Wissen, dass da jemand irgendwo tot liegt und bald begraben werden wird, der eigentlich auch heute hätte hier sein müssen, ist irgendwie unbegreiflich. Ist sie über eine Grenze gegangen? Hatte sie Signale des Körpers übersehen? Übersehen wir immer wider selbst auch einmal welche? Fragen, auf die ich keine Antwort bekommen werde, die aber immer wieder kommen.
Dann eine Hauptstraße, dahinter führt mich mein Weg über eine gelbliche Schlammpiste wieder hinauf Richtung Steinbruch. Eine dicke Planierraupe kreuzt unseren Weg, oben werde ich wieder schneller. Ich sehe noch nicht einmal nach jedem Kilometer auf die Uhr, wenn diese piepst und mir wieder einen gelaufenen Abschnitt anzeigt. Dann bin ich am Buchholzer Waldgebiet, dem letzten Teilstück dieser kürzesten Etappe. Zu Beginn ein Wasserstand, ich trinke mein Dextro-Flüssig und laufe durch die verschlammten Fahrspuren hinein. Hier hat sich eine Läuferkette gebildet, es wird nur noch wenig überholt. Meine Salomon-Trailschuhe geben mir einen guten Halt, auch wenn die neongelbe Farbe immer mehr unter einer Schlammschicht verschwindet. Es geht immer weiter hinab, nicht steil, aber stetig. 60 Höhenmeter auf zwei Kilometern. Ich höre Lärm, die Talsohle ist erreicht, hier steht Traditionell eine Zuschauergruppe von Grün-Weiß Steinbeck, die und hier frenetisch anfeuert. Meinen Respekt, wie die hier im nassen Wald ausharren. Das gibt richtig Kraft und hebt ein wenig die melancholische Stimmung, zu der der Regen und der schwarze Schlamm, der gerade hier besonders ausgebreitet ist, beiträgt. Nun geht es wieder 50 Höhenmeter hinauf, über Single-Trails und Wurzeltreppen, dann ein Stück über eine breite Schlammpiste. Endlich wird es ebener. Dieter kommt wieder an mir vorbei. „Kommt da noch so ein Stück?“ fragt er mich und meint sicher die verschlammten Waldpfade. „Eins noch“ antworte ich ihm und lasse ihm passieren. Ich bin froh, dass ich hier und jetzt noch laufen kann. Ich akzeptiere mein Tempo, das ich hier von alleine laufe und verzichte auf jede gewollte Beschleunigung. Jeder Positionskampf käme mir so unendlich sinnlos vor angesichts des Leides, was unvermittelt über diesen Lauf gekommen ist. Das ist scheinbar meine Art, damit umzugehen. Andere laufen sich in einen Rausch und hämmern alles weg, auch das kann eine Form der Bewältigung sein. Man darf sich da kein Urteil erlauben, jeder fühlt sich anders betroffen. Ich schweife wieder ab zum Partner der Läuferin. Auch ich erwarte meine Frau hinter mir auf der Strecke, ich werde sie im Ziel erwarten. Niemals in Sorge. Und irgendwann kommt dann jemand nicht. Nie mehr.
Das ist nicht mehr jedem Starter hier vergönnt. Der Himmel weint immer noch, oben nehme ich wieder langsamen Laufschritt auf. Eine Asphaltstraße hinab ins Fahlbachtal, dann die nächste Steigung, die aus einer ziegelsteingepflasterten Starße besteht und die sehr rutschig ist. Ich merke, dass mich hier inzwischen Leute überholen, die ich noch nicht wahrgenommen habe, aber das ist mir heute völlig egal. Plätze, Zeiten…..ein Mensch ist tot, mitten aus seinem und dem Leben seiner Lieben gerissen und dieser Mensch läuft unsichtbar immer mit. Zumal ich inzwischen ein Bild von der Läuferin vor Augen habe, das macht es persönlicher. Für Claudia muss es noch schwieriger sein, den sie hat auch noch ihre Stimme im Ohr, da sie mehrfach beieinander gelaufen waren und sich trotz aller Sprachbarrieren verständigt hatten. Die Strecke zieht sich nun über Feldwege immer stetig bergan, unterbrochen von kurzen Bergab-Passagen. Die Gegend hier ist ein Traum, kleine Wäldchen unterbrochen von ausgedehnten Weideflächen und Pferdekoppeln. Dazu der Dauerregen und die fleißigen Helfer an den Abzweigen, die hier ausharren und immer ein paar klatschende Hände für uns erübrigen. Ein paar Pferde laufen in der Koppel ein Stückchen mit mir mit. Es geht wieder einmal bergauf. Die Natur ist berauschend, selbst bei diesem Wetter. Ich bin dankbar, dies zu erleben und laufe irgendwie in einer anderen Welt. Aber der Tod läuft in meinem Kopf mit. Dieser Kontrast, das pralle Leben der laufenden Pferde und Menschen und das Wissen, dass da jemand irgendwo tot liegt und bald begraben werden wird, der eigentlich auch heute hätte hier sein müssen, ist irgendwie unbegreiflich. Ist sie über eine Grenze gegangen? Hatte sie Signale des Körpers übersehen? Übersehen wir immer wider selbst auch einmal welche? Fragen, auf die ich keine Antwort bekommen werde, die aber immer wieder kommen.
Dann eine Hauptstraße, dahinter führt mich mein Weg über eine gelbliche Schlammpiste wieder hinauf Richtung Steinbruch. Eine dicke Planierraupe kreuzt unseren Weg, oben werde ich wieder schneller. Ich sehe noch nicht einmal nach jedem Kilometer auf die Uhr, wenn diese piepst und mir wieder einen gelaufenen Abschnitt anzeigt. Dann bin ich am Buchholzer Waldgebiet, dem letzten Teilstück dieser kürzesten Etappe. Zu Beginn ein Wasserstand, ich trinke mein Dextro-Flüssig und laufe durch die verschlammten Fahrspuren hinein. Hier hat sich eine Läuferkette gebildet, es wird nur noch wenig überholt. Meine Salomon-Trailschuhe geben mir einen guten Halt, auch wenn die neongelbe Farbe immer mehr unter einer Schlammschicht verschwindet. Es geht immer weiter hinab, nicht steil, aber stetig. 60 Höhenmeter auf zwei Kilometern. Ich höre Lärm, die Talsohle ist erreicht, hier steht Traditionell eine Zuschauergruppe von Grün-Weiß Steinbeck, die und hier frenetisch anfeuert. Meinen Respekt, wie die hier im nassen Wald ausharren. Das gibt richtig Kraft und hebt ein wenig die melancholische Stimmung, zu der der Regen und der schwarze Schlamm, der gerade hier besonders ausgebreitet ist, beiträgt. Nun geht es wieder 50 Höhenmeter hinauf, über Single-Trails und Wurzeltreppen, dann ein Stück über eine breite Schlammpiste. Endlich wird es ebener. Dieter kommt wieder an mir vorbei. „Kommt da noch so ein Stück?“ fragt er mich und meint sicher die verschlammten Waldpfade. „Eins noch“ antworte ich ihm und lasse ihm passieren. Ich bin froh, dass ich hier und jetzt noch laufen kann. Ich akzeptiere mein Tempo, das ich hier von alleine laufe und verzichte auf jede gewollte Beschleunigung. Jeder Positionskampf käme mir so unendlich sinnlos vor angesichts des Leides, was unvermittelt über diesen Lauf gekommen ist. Das ist scheinbar meine Art, damit umzugehen. Andere laufen sich in einen Rausch und hämmern alles weg, auch das kann eine Form der Bewältigung sein. Man darf sich da kein Urteil erlauben, jeder fühlt sich anders betroffen. Ich schweife wieder ab zum Partner der Läuferin. Auch ich erwarte meine Frau hinter mir auf der Strecke, ich werde sie im Ziel erwarten. Niemals in Sorge. Und irgendwann kommt dann jemand nicht. Nie mehr.
Wir haben es fast geschafft, die letzten zwei Kilometer
führen uns nochmal flach durch einen Wald, dann über die Straße in ein
Wohngebiet von Dickenberg. Eine Unterführung unter der Hauptstraße, dann noch
zwei Ecken, ich sehe den Schulhof. Dieter und ein weiterer Läufer, die ich
bergab zur Unterführung eher zufällig überholt hatte, gehen wieder vorbei.
Ich bin in Gedanken und gehe über die erste Matte zwischen den Zuschauern durch Richtung Ziel. Ich nehme meine Mütze ab als respektvolle Geste, sinke kurz auf die Knie und sehe in den Himmel. Mir stehen wieder Tränen in den Augen und derer schäme ich mich nicht. Ich bin dankbar, dass ich her und heute laufen durfte. Der Zeitverlust ist mir völlig egal, als ich dann sie Ziellinie überschreite. Cousin Andre steht dort, wir umarmen uns. Ich denke, wir fühlen dasselbe.
Ich bin in Gedanken und gehe über die erste Matte zwischen den Zuschauern durch Richtung Ziel. Ich nehme meine Mütze ab als respektvolle Geste, sinke kurz auf die Knie und sehe in den Himmel. Mir stehen wieder Tränen in den Augen und derer schäme ich mich nicht. Ich bin dankbar, dass ich her und heute laufen durfte. Der Zeitverlust ist mir völlig egal, als ich dann sie Ziellinie überschreite. Cousin Andre steht dort, wir umarmen uns. Ich denke, wir fühlen dasselbe.
Viel mehr gibt es nicht zu berichten von dieser anderen
Etappe. Als Claudia ins Ziel kommt, schließe ich auch sie erst mal in die Arme
und bin froh, dass wir uns haben.
Morgen ist ein neuer Tag. Die Sixdays gehen weiter. Es sind
nicht mehr dieselben, aber irgendwie sind sie es doch. Ich werde diesen Tag nicht mehr vergessen.
Für Karine....
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