Dienstag, 27. Mai 2014

Riesenbecker Sixdays - "Mettinger Montag" - mit trauriger Entwicklung

Es ist Montag – der „Mettinger Montag“ mit seiner unvergleichliche Zieleinkunft nach 2 Kilometern Zielschuss im netten Dorfkern. Ich bin ja schon etwas enttäuscht nach dem Zeit und Kraftverlust gestern auf der zweiten Etappe. Ich wurde auch auf Platz 132 durchgereicht. Der Tag ging um mit dem Schreiben meines Blogs, das ich auch immer nutze, meine Gedanken zu sortieren und den Vortag Revue passieren zu lassen. Fangen wir mit dem positiven der zweiten Etappe an. Ich habe es zeitweilig genießen können und mich unterwegs nicht unter Zeitdruck gesetzt. Das heißt ja nicht, dass ich nicht so schnell laufe, wie ich es meine zu können. Ich lies mich jedoch von der Uhr oder einer Vorgabe in ein höheres Tempo drängen, weil ich meine, diese nun laufen zu müssen. Landschaft, Wald und Berge mit und ohne Aussicht habe ich sehr wohl wahrgenommen. Ebenso habe ich für die vielen Zuschauer und Helfer ein „Dankeschön“ oder „Ihr seid super“ übrig gehabt.

Dennoch ist die Zeit für mich enttäuschend gewesen, zumal ich nahe am gefühlten Limit gelaufen bin. Heute geht es in die dritte Etappe, die Michael Brinkmann immer als „die schönste“ bezeichnet. Nun, dies kann nur von Läufer kommen, denen Höhenmeter nichts ausmachen. Ich als Niederrheiner empfinde die ständigen Anstiege als anstrengend. Es warten so schöne Abschnitte wie die „Adlersteige“, die „Schleppbahn“ und das „Gründkenliet“ auf uns. Aber auch ein Bahnübergang, wo ein Zug ab und an das Läuferfeld teilt. Dies wird Michael Brinkmann auch nicht müde, im Streckenbriefing auf der Busfahrt nach Tecklenburg zu erwähnen. Wer hier durch die Halbschranke läuft, wenn diese geschlossen ist, wird erbarmungslos gemeldet und disqualifiziert. Dies ist auch richtig, denn ein Bahnunfall wäre das Ende der Sixdays auf dieser unvermeidbaren Strecke.
Im Bus setzt sich Wolfgang zu uns, der ist vor vier Jahren öfter in meiner Gegend und vor zwei Jahren öfter mal mit Claudia gelaufen. Wir erzählen über unsere Ultra-Erlebnisse, er hat den Zugspitz-Ultra-Trail absolviert und von dort auch spannendes zu berichten. So vergeht dann die Busfahrt zum Start recht zügig. Dunkle Gewitterwolken sind aufgezogen, es ist aber noch durchaus zwanzig Grad warm und ziemlich schwül. Hoffentlich bleibt es zu Beginn trocken, sonst hätte ich mich in meiner Schuhwahl verzockt. Ich trage den Cloudsurfer von ON, ein flotter Schuh und gut zum bergablaufen, leider mit nicht viel Grip unter den Sohlen, wenn es ins Gelände geht. Matsch bergab würde Tempo kosten. Aber es bleibt trocken.
In Tecklenburg haben wir dann nicht mehr viel Zeit, es ist eng und voll in der malerischen Altstadt hoch oben auf dem Berg und wir knipsen nur eben mit Andre das traditionelle „Drei“-Startfoto, dann geht es in die Startaufstellung.


Hier ist es wichtig, schnell relativ vorne zu sein, denn nach knapp einem Kilometer geht es durch der Sunderner Waldgebiet auf einem schmalen Singletrail hinab. Es staut sich dort regelmäßig am Eingang und wer da zu spät kommt, kann dann bergab nicht überholen, was gerade schnelle Bergabläufer wie mich richtig Zeit kosten würde. Es geht los, durch die winkeligen Gassen geht es zunächst eine stramme Steigung hinauf zum Parkplatz, dann hinab zum Waldeingang. Bereits am ersten kleinen Anstieg ist mein Puls im GAT 1-Bereich, es füht sich aber bereits an wie das Maximum. Meine Beine wollen schin nach wenigen Metern nicht so richtig, der gleiche Mist wie am zweiten Tag also. Dabei wollte ich es doch heute mal ruhig laufen lassen. Aber noch sehe ich Chancen, wenigstens die zehn Stunden zu halten. Ich schaffe es recht gut in den Waldweg und lasse bergab „rollen“. Es ist bereits etwas modderig, das schaffe ich mit meinem Profil so gerade, ohne groß bremsen zu müssen. Den zweiten Kilometer durchgängig bergab schaffe ich in 4:21, aber ich merke schon an den Überholern, dass das nicht so schnell ist, wie ich gehofft hatte. Kilometer drei wird dann flacher, wir kommen aus dem Sundern-Wald durch den Ort Ledde, wo wir während unserer ersten Sixdays gewohnt hatten. Viele Zuschauer säumen hier den Weg. „da ist unsere Gruppe von gestern wieder, Duisburg ist auch dabei“ höre ich von hinten. Einige Läufer gehen an mir vorbei, ich wünsche ihnen einen guten Weg. Mitgehen versuche ich nicht. Dann geht es über die Hauptstraße auf Feldwege, hier beginnt dann der permanente Anstieg über die nächsten 11 Kilometer. Ich nehme bereits hier Tempo heraus, denn ich will heute ja konsolidieren. Dabei hoffe ich ja, dass es sich von alleine wieder einläuft. Anfangs scheint das auch so zu sein. Selbst den leichten bergauf-Kilometer 4 schaffe ich in 4:51. Dann kommt der erste Verpflegungsstand in Sicht, ich trinke kurz im Stehen einen Becher Wasser, denn durch die schwüle Luft bin ich bereits völlig nassgeschwitzt.  Der berüchtigte Bahnübergang ist in Sichtweite, neben mir ärgern sich zwei Läufer von Marathon Ibbenbüren, dass gerade Rot ist. „Der 18:26er hat wohl Verspätung“. „Aha, die haben Fahrpläne studiert“, denke ich. Macht ja auch Sinn. Ich bin froh, dass die Schranken gerade dicht waren, denn bis wir die 300 Meter absolviert haben, sind sie wieder offen. Glück gehabt. Nun führt uns der Weg wieder durch einen kleinen Wald, wieder bergauf. Ich gehe dann mal wieder und lasse mich überholen. Stefans Vater kommt vorbei mit den Worten „Du kommst gleich eh wieder an“ . Das verneine ich, denn mein Puls im oberen GAT 3-Bereich lässt mich pessimistisch auf mein Tempo ausblicken. Immerhin noch 5:43 auf diesem Kilometer, der 40 Meter Anstieg für uns bereit hielt. Die blonde Frau im roten Dress von gestern. „0ben angekommen“ wird es nicht besser. Es geht einen grasbewachsenen Feldweg entlang, man muss auf seine Füße achten. Claudia berichtete mir später, dass ihr hier ständig ihr Sturz vor einigen Wochen in den Sinn kam, der neben einer blauen Wangen und einer aufgeschürften Schulter- und Kniepartie eine schmerzhafte Rippenprellung zur Folge hatte, die immer noch nicht ganz abgeklungen ist.
Endlich sind wir wieder auf einem abschüssigen Stück Hauptstraße, die netten Helfer halten für uns den Verkehr an. Auch dafür gibt es von mir ein Danke im vorbeilaufen. Die Läuferin, die gestern in Rot mehrmals an mir vorbeiging und die ich erst am „Himmelreich“ letzmalig überholt hatte, läuft ein Stück neben mir. „Diesmal spiele ich nicht mehr mit“ murmele ich vor mich hin, sie hört es aber nicht. Macht auch nix. Denn nun kommt die „Adlersteige“. Ich liebe diese „legendären“ Streckenabschnitte mit den spektakulären Namen, auch wenn sie anstrengen, machen sie doch das Flair diese einzigartigen Laufes aus. Auf dem Aspahlt stehen mit Kreide die Namen der Läufer, am Rande klatschen überall Zuschauergruppen, während ich meine 85 Kilo im Gehschritt stramm nach oben wuchte. „Halbzeit“ steht da auf der Straße. Stimmt, etwas über 9 Kilometer sind schon geschafft. Das heißt auch, dass am Ende der endlosen Adlersteige dann die meisten Höhenmeter des Tages Geschichte sind. Endlich biegen wir links ab und es wird wieder flach. Der nächste Getränkestand wartet, dann geht es ins durch ein kleines Wäldchen ins Gründkenliet. Ein U-förmig ausgeschnittenes Wiesental, rechts und links bewundern grasende Kühe unser tun und es geht länger bergab. Eine blonde Läuferin vor mir, die bergauf immer Abstand gewinnt, kommt wieder näher. Ich überhole mal wieder einige Läufer, darunter auch einen im roten Shirt von irgendeinem Alpin-Ultra, dessen Rückseite die Schrift „45,195“ ziert An der Adlersteige war er im Laufschritt fast so schnell wie ich im Gehen, oben war ich dann schnell wieder dran. Aber die blonde Frau vor mir hole ich nicht mehr ein. Hier genieße ich mal wieder und lasse es rollen. Dennoch lässt mich das Gefühl des Frustes nicht völlig los. 4:27 für diese Bergab-Stück? Das ist zu langsam. Aber es will einfach nicht schneller gehen. Auch hier stehen immer wieder mal Zuschauergruppen, die klatschen, Rasseln benutzen oder auch nur zwei volle Bierflaschen aneinander schlagen. Prost!

Ich reiße ab und zu die Arme hoch, grüße zurück und versuche, mit denen zu kommunizieren. Das lenkt mich ab und bereitet mir Spaß. Schon haben wir wieder die Hauptsraße erreicht, es geht rechts über den Radweg, dann ein kurzes, steiles Stück duch ein Wäldchen bergauf. Dann die Schleppbahn, an deren Ende der scharfe Anstieg zur Holtkampsiedlung folgen wird. Auch hier relativ viele Zuschauer. An der Schleppbahn wird es etwas ruhiger, dafür ist am Steilanstieg zur Siedlung dann wieder der Bär los. Unter den Rufen der Zuschauer quäle ich mich den Anstieg hoch, 35 Höhenmeter auf knapp 400 Metern Strecke. Dann geht es durch die Siedlung, hier stehen auch viele Anwohner vor den Häusern. Ein älteres Ehepaar klatsch „Ihr seid Spitze“ rufe ich ihnen zu. „der ist sogar aus Duisburg“ höre ich hinter mir, als ich vorbei bin und meine Rückenaufschrift für sie lesbar wird lesbar wird. Der Riesenrespekt, der uns hier von allen Zuschauern entgegengebracht wird, ist schon etwas Besonderes. Das sollte ich, bei aller Unzufriedenheit über mein Tempo, hier nicht vergessen. Ein bisschen stolz wird man trotzdem, ich denke auch zu Recht. Dann kommt bereits das Autohaus mit dem letzten Getränkestand in Sicht, jetzt nur noch knapp 5 Kilometer, davon 2,5 bergab. Das geht jetzt! Mein Gel habe ich bereits auf der Schleppbahn getrunken, jetzt bin ich gespannt, was auf der folgenden Flachstrecke für ein Tempo geht. Leider enttäusche ich mich wieder. Geht Kilometer 14 noch in 4:51, schaffe ich auf Kilometer 15 nur noch 5:01 und 16 trotz Bergab-Passage“nur“ eine 4:41. Das Tempo ist weg. Und es scheint auch nicht mehr wieder zu kommen während dieser Sixdays. Zu sehr saugen mir die Anstiege, die ich nicht trainiert habe, die Kraft aus den Waden. Zu sehr nagt noch der Kräfteverbrauch aus Hamburg an meinen Reserve. Zusätzlich habe ich einen „Stein im Bauch“, der Resi mit den drei Brocken geschnetzeltem vom Mitagessen liegt mir im Magen. Ich könnte so rechts ins Kornfeld und mich kurz erbrechen, verzichte aber mit Blick auf die Zeit, die das koste würde, darauf. Die letzte Steigung liegt hinter mir, jetzt der Zielschuss nach Mettingen. Hier hatte ich vor 6 Jahren im strömenden Regen meinen Runners High! Zu Beginn überholt mich ein weiterer Läufer im Finisher-Shirt 2012. Nein! Den hole ich mir. Ich ziehe an und habe ihn schnell wieder. Was soll das? Warum tu ich das? Ich  bin so schrecklich ehrgeizig, dass ich hier dennoch um jeden Platz kämpfe. Einfach so dahinlaufen kann ich auf dieser Veranstaltung nicht. Claudia kann das gut uns sie ist umgerechnet hier sogar besser als ich.
Aber was nicht geht, geht eben nicht. Vor uns ein Krankenwagen mit Blaulicht, ich höre ein weiteres Martinshorn in der Ferne. Da liegt ein Läufer in Goldfolie gewickelt in der stabilen Seitenlage, zwei Sanitäter kümmern sich um ihn. Kein schöner Anblick. Er scheint bewusstlos und rührt sich nicht. Das relativiert für mich wieder den ganzen Ehrgeiz und die Quälerei. So möchte ich nicht aus dem Rennen gehen! Hoffentlich ist es nichts ernstes, es sah jedenfalls böse aus.
Show must go on, es geht weiter. Hört sich hart an, entspricht aber zunächst den Tatsachen. Wieder nur 4:21 im „Zielschuss“ ich erreiche Mettingen. Kurz über eine Straße, denn beginnt bereits der Zielkorridor voller Zuschauer. Gänsehautfeeling. Ich sprinte, oder was ich dafür halte. Immerhin 4:05er Pace auf den letzten 600 Metern flach. Im Ziel jubele ich, obwohl mich die Zeit wieder enttäuscht. 1:32:28, wieder schlechter sogar als vor 4 Jahren, damals gut 2 ½ Minuten schneller. Hinter mir kommen Mario und Christian ins Ziel, alte Weggefährten aus den ersten beiden Sixdays-Teilnahmen. Auch die habe ich damit schon m Nacken. Andre ist sofort bei mir und beglückwünscht mich, er war auch wieder schneller. Ihm gönne ich es wirklich, nach seinen vielen Problemen in  den letzten Jahren. Auch Birgit aus der Ausdauerschule ist wieder super gelaufen, mit einer 1:25er Zeit hat sie ihren Status als 4. Frau gesamt untermauert. Wir quatschen ein wenig mit Andre, Birgit und Mario und dann hole ich die Taschen. Schon steht meine Frau am Verpflegungsstand. Mit einer 1:41:11 war sie wieder ziemlich flott unterwegs. Wir müssen uns mit dem Zielfoto ein wenig beeilen, denn so trocken es unterwegs war, so stürmisch wird es plötzlich und der Himmel hat sich rapide verdunkelt.
Vom Winde verwehtes Zielfoto

Sobald das Foto im Kasten ist, ziehen wir uns etwas über. Auch Birgit aus unserer Hotel-Fahrgemeinschaft ist schon da. Leider verlaufen wir uns ein wenig auf dem Rückweg zum Auto, so dass wir ein wenig suchen müssen. Aber der Regen lässt auf sich warten und zieht dann doch vorbei. Glück gehabt. Nach der ersten Abendetappe nochmal kurz in die Hotelsauna und vor allem die Beine ins kalte Wasser gehangen, dann einen Teller Hühnersuppe und Vollkornbrot mit einem schönen Fruchtquark hinterher.

Die Ergebnisliste will auch noch studiert werden, ich bin auf 182 hereingekommen und wurde in der Gesamtliste auf 148 durchgereicht. Claudia hat sich schon auf Platz 37 bei den Frauen und auf 12 der AK vorgearbeitet. Bei ihr läuft es super. Was will ich jetzt noch damit? Warum laufe ich jetzt nicht einfach gemütlich? Weil ich für meine Zufriedenheit……….

Abbruch – während ich dies hier schreibe und mir Gedanken über Nichtigkeiten mache, lese ich, dass gestern ein Laufkollege aus der AK 35(!) kollabiert und verstorben ist. Der Tod hat zugegriffen. Wahllos und mitten unter uns hat er zugegriffen und einen jungen Sportler abberufen. Es muss entsetzlich für alle Angehörigen und Freunde sein, ihn bei einer Sportveranstaltung zu wissen und dann zu realisieren, dass er niemals zurückkehren wird. Während wir über Anstiege geflucht oder uns in einzelnen Positionskämpfchen verstrickt haben, starb einer von uns. Das ist schwer zu fassen.
Meine Gedanken werden heute bei dem unbekannten(?) Laufkollegen sein, vor allem aber bei seinen Angehörigen. Und es ist für mich kein Ausdruck der Missachtung, wenn der Lauf dann doch fortgesetzt wird. So ist es wohl im Sinne der Angehörigen, wie Organisationschef Michael Brinkmann gerade auf der Homepage verkündet. Es wird eine andere Etappe werden.....

In diesem Sinne zitiere ich den Song, der uns 2012 so emotional auf die Schlußetappe geschickt hat:

When you walk through a storm,Hold your head up high,And don't be afraid of the dark.At the end of a storm,There's a golden sky,And a sweet silver song of a lark. Walk on through the wind,Walk on through the rain,Though your dreams be tossed and blown... Walk On! Walk On! With hope in your heart,And you'll never walk alone... You'll never walk alone

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