Freitag, 1. Mai 2015

Jetzt ist Ultra.....

Eintauchen in die Welt des Ultralaufes - über unvorstellbare 100 Meilen im August zu den völlig weit entfernten 231 km bei der TTdR 2016, welche ich mir vorgenommen habe. Das hatte ich ab Kilometer 25 in Wien mental bereits vollzogen und das wollte ich nun konsequent fortführen. Aber was heißt das? Nun ja, erst einmal ist ja nach der Belastung des Marathon Regeneration angesagt. Erst in Wien noch zwei Mal zwei Kilometer den Streak mit Claudia gelaufen, dann am Donnerstag der erste Trainingstermin bei Bunert im Sommerkurs. Laufspiele - das heißt ein wenig Lauf ABC mit wenigen Kilometern, genau das Richtige im Moment. Letzten Samstag wollte ich es dann wissen: Während Claudia schon wieder 17 Kilometer unter die Schuhe nahm, beließ ich es bei 6 Kilometern. Die ließ ich einfach laufen, kam in einer 4:36er Pace heim und hatte ein wenig Wien-Frust weggelaufen. Das Tempo war also noch nicht weg!
Es ist ja immer schwer, nach so einem Marathon die Füße ruhig zu halten. Besonders, wenn man halt keinen Erfolg hatte, auf dem sich gut ausruhen lässt. Die Trainer wissen das und schreiben ja gerne mal Alternativsport auf den Trainingsplan. Marco und Kim hatten da eine Idee, am Sonntag danach an einer RTF-Tour teilzunehmen und sich so schon einmal auf den Gladbecker Triathlon einzustimmen, der für uns im Juni ansteht. Selbst meine Claudia ließ sich von Freundin Kim überreden, sie auf der kleinen 42-Kilometer-Runde zu begleiten. Anschließend ließen wir den sonnigen, aber kühlen Sonntag bei Freunden mit viel Kuchen in der Sonne ausklingen.

Die nächsten Tage machten sich allerdings dann schon meine Oberschenkel bemerkbar, die ungewohnte Belastung auf dem Rad forderte offensichtlich auch ihren Tribut. Vielleicht hätte es die 42 km-Runde ja auch getan? Aber dafür auf's Rad?

Training am Donnerstag dann mit der Ausdauerschule. 8 x 500 Meter standen auf dem Plan. "Ich werde die schnelle Gruppe jetzt mal auf links drehen" verabschiedete sich Schleifer-Sven mit uns armen Würstchen ab in den Wald um die sechs Seen. Ich wollte eigentlich bei einer 4er Pace Schluss machen, aber man kennt ja diese gruppendynamischen Prozesse. Am Ende waren es dann doch immer so um die 3:40-3:45, die letzte sogar in 3:32er Pace und die Frage, wie sinnvoll das für den anstehenden Ultra am Wochenende sein würde, stellte sich mir deutlich.

Samstag ging es dann kurz nach acht Uhr los Richtung Iserlohn. Wir hatten von Organisator Bernd Nuß umfangreiche Informationen einschließlich einen Parkausweis für den speziellen Ultra-Parkplatz direkt an der Strecke erhalten. Da diese vor Ort auch kontrolliert wurden, fanden wir gut zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn auch noch einen Parkplatz. Dort trafen wir gleich Jens, den Tortour-Organisator. Der riet uns, am Sportsplatz anstatt hier auf den Wiesen direkt an der Strecke unser Lager zu errichten. Dort kämen nur Läufer hin während hier am Parkplatz ja öffentliches Gelände sei. Klang logisch, also Klamotten zum Sportplatz geschleppt. Unser neues 4-Mann-Zelt hatte ich erst einmal im Wohnzimmer aufgebaut, dennoch bekamen wir es wieder schnell aufgestellt. Gut, dass es trocken blieb, denn der Wetterbericht verhieß nichts Gutes für die nächsten 24 Stunden.
Unser Domizil

Organisation und Startnummernausgabe klappten perfekt und ohne Wartezeiten, wir tranken mit unseren Zeltnachbarn, zwei Ultra-Debütanten aus dem Raum Koblenz, erst einmal einen Kaffee und waren sofort in das gesellige Völkchen der Ultra-Läufer wieder eingetaucht.

Ich möchte hier jetzt gar nicht auf den Lauf eingehen, den könnt Ihr in meinem Video ganz gut nach verfolgen, wie ich denke.
https://www.youtube.com/watch?v=nEeIdCfnkX0

Eher einmal die Fragen stellen: Was machen wir hier? Wie sinnvoll ist ein 24-Stunden-Lauf auf einen kleinen Rundkurs?

Zunächst ist so ein Stunden-Lauf ja auch ein geselliges Event, alleine schon das Zusammentreffen mit vielen Gleichgesinnten . Wenn Du einen Marathon auf einer großen Runde mit 50 Teilnehmern läufst, bist Du recht schnell allein. Das ist hier anders. Es lässt sich gar nicht vermeiden, immer wieder neben anderen Läufern her zu laufen, dann unterhält man sich und findet ganz unterschiedliche Dinge, die man gemeinsam hat oder die einen unterscheiden. Das liegt im Wesentlichen am Tempo, denn je länger die Strecke, desto eher kann man sich beim Laufen noch unterhalten.

Für uns war es eine wichtige Standortbestimmung vor dem 100-Meilen-Lauf in Berlin im August. Könne wir das wirklich? Was kommt nach den 100 Kilometern, die wir beide ja schon zwei Mal absoviert hatten. Wie ernährt man sich, reicht die Verpflegung des Veranstalters aus? Welche Ruhepausen machen Sinn? Das waren die Fragen, die ich mir selbst heute beantworten wollte und meiner Claudia ging es wohl ähnlich.
Mit Günter unterwegs

Die ersten Stunden lief ich mit Günter und Arno, zwei Laufbekannten mit nicht ganz so weiter Anreise. Zu Anfang auch mit Jens, der hier tatsächlich auch 24 Stunden laufen wollte. Da ich beim Start gefilmt hatte, waren Henning, Yvy und Claudia irgendwie weg. Ich lief ja mit Arno und Günter, tatsächlich ergab es sich, dass wir uns die ganzen ersten sechs Stunden nicht getroffen haben. Lag wohl am annähernd gleichen Tempo. Mir ging es bereits nach drei Stunden nicht mehr so gut, meine Zehen begannen an den verstärkten Kappen meiner Glide Boost ATR anzustoßen und ich wechselte bereits da zum neuen Ultra Boost. Damit hörte das Drücken am Zeh sofort auf. Erste Sache richtig gemacht. Meine Ernährung sollte sich zunächst einmal nur auf die angebotenen Sachen beschränken, ich trank sofort Iso statt Wasser, um einem erneuten Krampfproblem vorzubeugen, dazu ein wenig Salzgebäck in jeder zweiten Runde. Krämpfe hatte ich keine, wohl aber ziemlich schwere Oberschenkelrückseiten. Die 80-Kilometer Rennrad und die 500-Meter Intervalle aus den letzten Tagen waren am "Anstieg" dann doch deutlicher und deutlicher zu spüren.

So war ich froh, dass die sechst Stunden und damit der erste Teil des Wettbewerbs endlich rum waren, ich zog mir eine Jacke über und ging noch eine Runde, in der Hoffnung, Claudia zu finden, wenn Sie mit Yvy auf deren "Vermessung" wartete. Aber Yvy wartete alleine. In Goldfolie gewickelt. Die gab es vom Sanitäter. Auch ein toller Service für frierende Läufer. Danach gingen wir trafen wir am Verpflegungsstand endlich Claudia und es ging gemeinsam zum Nudeln essen. Ich hatte mit trockene Sachen angezogen und eigentlich eine zweistündige Pause eingeplant, etwa wie beim Traildorado. Aber Claudia hatte keie Ruhe, sie wollte weiter. Nachdem wir Yvy und Henning nach Yvys Siegerehrung - sie hatte den 3. Platz in der Gesamtwertung der 6-h-Konkurrenz belegt,
Ich hätte mich jetzt erst einmal eine halbe Stunde hingelegt, aber da Claudia weiter wollte, blieb mir keine Wahl. Wir hatten jetzt knapp 55 Kilometer, zwanzig sollten es noch werden. Dann ein wenig hinlegen und schlafen und ab 2 Uhr durch die tiefste Nacht wieder weiter bis zum Frühstück. So langsam gingen die Kilometer schwerer, aber wir drehten nun gemeinsam Runde um Runde. Kurz vor zehn hatten wir die 75 Kilometer und beschlossen, uns hinzulegen.
73 Mal daran vorbeigelaufen!

Das geht beim Mauerweglauf so natürlich nicht.Oder höchstens auf einer Parkbank, wenn dar Radbegleiter ne Decke dabei hat(guter Ansatz, wieder was gelernt!). Mit Schlafen war leider nix. So schön es war, dass auf dem Sportplatz keine Nichtläufer an die Zelte kamen, so hall brannte leider die Nacht durch das Flutlicht von allen sechs Masten. Und die Live Band spielte noch eine Stunde, danach der DJ noch eine halbe, ehe der Sound direkt hinter unserem Zelt dann verstummte. Dann war es fast Mitternacht - und Jens hatte Geburtstag. Da Jens nun mal bekannt ist wie ein bunter Hund, viel die Gratulationsrunde entsprechend groß und geräuschvoll aus. Also beschlossen wir, um ein Uhr wieder weiter zu laufen. Eine kurze Gratulationsvisite bei Jens - den angebotenen Huge verschmähten wir sicherheitshalber - und es ging weiter durch die Nacht, Der See war nun traumhaft schön beleuchtet, dennoch lagen 4 1/2  Stunden vor uns, die wir leider recht schnell nur noch marschierend zurücklegen konnten.
Nachts, wenn alles schläft....
Wir packten uns die 25 Kilometer, die wir schaffen wollten, in handliche kleine 5-Kilometer Päckchen, die wir eines nach dem anderen abarbeiteten. Dabei ging es uns beiden ganz gut, wir überholten marschierend sogar einzelne laufende Mitstreiter. Geschwindigkeit ist ja so etwas von relativ.... Dennoch freut man sich, wenn man dann endlich die 100 Kilometer voll hat und sich noch einmal hinlegen darf. Auch wenn es bis zum Frühstück um sieben nicht lange ist, die Pausen bisher hatten gut getan und für Claudias Knie wurde es Zeit. Diesmal war es bedeutend ruhiger und wir schliefen schnell für eine Stunde ein. Wach wurden wir mit dem Gedanken, ab halb sieben bis zum Frühstück noch einmal zwei Runden zu machen, aber der auf unser Zelt prasselnde Regen ließ uns noch 15 Minuten liegen bleiben, ehe wir uns zum Frühstück fertig machten. Minimalziel 100 km war erreicht, nach dem Frühstück blieben 4 1/2 Stunden für die von mir angepeilten 30 Kilometer. Das sollte gehen. Und es ging wieder wirklich gut. Na ja, gut heißt halt eine Pace von über 7 Minuten, aber wir liefen. Und die anderen waren mit wenigen Ausnahmen auch nicht schneller. Wieder mit den bewährten 5-Kilometer-Päckchen arbeiteten wir uns vor. Die 110 km kamen gefühlt recht fix, dann wurde es zäher. Den "Berg" gingen wir jetzt immer, auch die kleineren Anstiege. Claudias Knie schmerzte wider zunehmend, jetzt leider auch im Gehen. Aber wir zogen Runde um Runde um den See.
Hier fand mittlerweile der "Walkind dead" statt, vile schlurften und schleppten sich in seltsam verkrümmten Körperhaltungen oder in leicht humpelndem Schritt um das Wasser, wir hingegen bekamen von vielen gesagt, wie gut wir noch aussähen. Muss am Schönheitsschlaf von einer guten Stunde gelegen haben.
Uns, mir immer mehr als Claudia, war jedoch klar, dass die 130 heute möglich sein würden und die fehlenden 30 in Berlin dann auch noch irgendwie gehen sollten.
Und dann war es soweit. Kurz vor den 125 konnte Claudia nur noch gehen, wir verabredeten, dass ich weiterlaufen solle, denn gehen wären mir nun schwerer gefallen. Ich hatte irgendwie den "flow" gefunden, jenen rätselhaften Zustand beim Ultralauf, wo zwar alles mögliche weh tut, aber die Beine ihre nun lang genug einstudierte Laufbewegung von alleine ableisten und kaum noch Antrieb aus der Schaltzentrale unterm Pony beötigen. Das wollte ich ausnutzen. Immerhin schaffte ich eine Pace von 7:35. Das ist eigentlich zum kaputtlachen, aber nach 125 km lachst Du da nicht mehr drüber. Höchstens irre. Ich bekam das Fähnchen mit dem 125er Aufdruck und dementsprechend euphorisiert konnte ich nochmal ein "Höllentempo" vorlegen. So kam es mir vor, diese weitere Runde zum "Triple-Marathon". Das sind bekanntlich 3 Marathondistanzen, innerhalt von 23 Stunden ganz ordentlich, wie ich fand. Mir schien, als flog ich über die Strecke, begleitet von diversen Glückwünschen der überholten Mitläufer, die  mein Fähnchen sahen. Pieep - mein Garmin holte mich mit Kilometer 126 auf den Boden der Tatsachen zurück: Ich war mit stolzer 6:14er Pace über die Strecke "geflogen", es war mir fast vorgekommen wie mein Marathon-Renntempo aus der ersten Hälfte in Wien. Aber so ist das, alles ist halt relativ. Entschlossen, die Runde zum Triple noch zu laufen, drehte ich das Tempo wieder auf die "normalen" 7:20 pro Kilometer herunter. Dann war der Triple geschafft, wieder eine Fahne. Und noch eine gute Stunde für 3,5 Kilometer. Das schaffe ich. Irgendwann ging ich, mich nett mit einem Mitläufer - oder war es ein Wiedergänger (Achtung - Wortwitz!) unterhaltend und ich hatte die 130. Noch gut 800 Meter bis zum Zelt, dann die Klappstühle aufgestellt und hin gesetzt. Endlich! Nicht mehr aufstehen müssen, das Messrad würde in einer viertel Stunde losrollen.
Claudia kam dann auch und setzte sich auf ihren Stuhl, der einen Meter weiter in Laufrichtung stand. Und überholte mich damit noch, denn auch ihr war noch dieselbe Rundenzahl gelungen. Das hat sie verdient, denn für eine Frau ist die Leistung immer höher zu bewerten.
mit Claudia und Ricarda Bethke

Mein Dank gilt hier wirklich den Organisatoren um Bernd Nuß, die hier bereits zum achten Male eine solch magische Nacht auf die Beine gestellt haben. Irgendwas macht das Ultra-Laufen mit einem, irgendetwas, was nur der verstehen wird, der deutlich mehr als den Marathon und durch die Nacht gelaufen ist. Jeder Wunsch wurde einem von den Augen abgelesen, eine Top-Verpflegung lag bereit und viele viele ehrenamtliche Helfer, teilweise Jugendliche, haben sich für uns grenzdebile Individuen die Nacht um die Ohren gehauen. Ganz dickes Lob. Aber auch für den einmaligen Sportsgeist, der auf solchen Veranstaltungen herrscht. Es gibt kein Konkurrenzdenken, nur ein wundervolles Miteinander. Man hilft sich, man lobt sich, man gratuliert sich und man leidet auch einfach gemeinsam, ohne viel Aufhebens davon zu machen. Entweder Du läufst, Du gehst oder Du hörst auf. So einfach kann der Sport sein.

Ach ja, Jens hat die 100 Meilen geschafft, mit heftigsten Schmerzen und zueletzt im Schneckentempo hat er es durchgezogen. Und dann aufgehört. Obwohl noch Zeit war. Auch das ist Größe und Vernunft. Günter hat die 100 Meilen auch geschafft.

Wir wissen nun, dass wir die 100 Meilen in Berlin schaffen können. Können, nicht müssen. Denn auch 31 Restkilometer können noch weit sein.....

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