Sonntag, 3. Mai 2015

Herz-Kreislauf im UNESCO Weltkurturerbe Zeche Zollverein

1. Mai 2015:


Es gibt mal wieder einen Charity-Lauf – dieses Mal in Essen. Es geht darum, Geld für die Förderung der Bewegung von Kindern zu sammeln unter anderem um späteren Erkrankungen der Gefäße und des Herz-Kreislaufsystems vorzubeugen. Jörg Bunert mit seiner Athletik-Marketing GmbH hatte sich in die sportliche Organisation eingebraucht und so warb er bereits in Andalusien während des Trainingslagers vehement  bei uns für diesen Lauf. Für mich war klar, dass ich mitmachen würde, wenngleich ich nach dem 24-Stunden-Projekt am Seilersee keine Ambitionen hatte. Ein 5 Kilometer-Lauf geht ja immer, auf den hatte ich im Trainingslager sogar mal Lust, denn im Gegensatz zum kaum langsameren 10er ist der wenigstens schnell vorbei. Claudia war da erheblich lustloser, sie mag diese „Sprintdistanzen“ unterhalb der 15 Kilometer ja überhaupt nicht .
Natürlich schrieb ich den Lauf auch in unserer Betriebssportgemeinschaft aus und zu meiner Überraschung meldeten sich tatsächlich ein Pärchen, die starten wollten. Somit waren wir von der BSG schon mal zu dritt, ich meldete also am letzten Tag der Online-Meldung den 5 Kilometer-Lauf an.
Foto:Catfun.de


Es bahnte sich ohnehin ein großes Bunert-Treffen an, das Wetter versprach ganz ordentlich zu werden und an die Kulisse des Weltkulturerbes Zollverein hatte ich eigentlich nur positive Erinnerungen. Zunächst führte uns der letzte Karstadt-Halbmarathon 2009 durch die historische Stätte. Ebenfalls 2009, zwei Monate später hatten wir dort bei der damaligen Run&Rock-Serie bei glühender Hitze einen recht guten 10,54 Kilometer Viertelmarathon absolvieren wollen, leider war die Strecke mit 9,6 Kilometern dann etwas zu kurz, was meine damalige Top-Zeit von 42 Minuten erklärte. Bereits da war ich von der tollen Kulisse tief beeindruckt. Zurück kehrten wir beim Vivawest 2013 mit einem tollen Durchlauf und dann natürlich im Herbst beim Speed of light-Projekt, wo wir so manchen Trainingsabend und die unvergessliche Performance am 4.10.2013 am Standort verbracht hatten. Mit diesen schönen Erinnerungen im Gepäck machten wir uns am „Tag der Arbeit“ auf nach Essen. Meine Frau hatte sich dann am Morgen noch zur Nachmeldung entschieden, sie wollte für Kim die Pace machen. Ich war untypisch gut gelaunt, hatte nach 4 Tagen Pause und den 100-Meter-Intervallen am Vorabend beim Bunert-Training, die ich wohlweislich nach 12 von 20 eingestellt hatte.
Was sollte auch passieren, ich wollte loslaufen, als wenn es um die Bestzeit ginge und war neugierig, wann ich einbrechen würde. Seit 2012 in Alpen hatte ich keinen schnellen 5er mehr versucht, höchstens als Staffel in der Schalke-Arena. Die zwanzig Minuten sollten irgendwann einmal fallen, aber das schien mir nur fünf Tage nach dem Seilersee doch etwas vermessen.
Angekommen in Essen fanden wir alles gut ausgeschildert, auch Claudias Nachmeldung bei Bärbel Bunert klappte reibungslos. Einziges Hindernis waren die vielen eintreffenden Lauffreude, die begrüßt werden wollten. Wenn ich daran denke, dass wir 2009 in Essen kaum einen Menschen kannten – eine Wahnsinnsentwicklung.
Foto:Catfun.de
Claudia lief mit Kim auch die 5, auf 10 hatten die beiden auch keine Lust. Heike suchte jemanden zum gemeinsamen Einlaufen, ich opferte mich einmal und wir trabten die kleinere erste Runde ab. Dabei bekamen wir bereits einen ersten Eindruck von diesem Streckenteil, der eine kleine Steigung bereit hielt, die durch dir zwei 90-Grad kurven zu Beginn und am Ende ordentlich Pace kosten würde. Wir gabelten noch Marius auf, der sich auch aufwärmte.
Foto:Catfun.de


 Dann ging es schon in die Startaufstellung, irgendwie wollte keiner nach vorne und ruck zuck standen Marco, Marius, Sascha (der einzige, der da zu Recht stand) und Heike in der  ersten Reihe. Ein paar Späße mit Jörg Bunert, der mir einreden wollte, dass ich das gewinnen könne, dann zählte Moderator Andreas Menz schon den Countdown herunter. Los geht es. Ich sehe zu, schnell nach 50 Metern um die erste enge Kurve zu kommen und merke, dass ich sofort langsamer werden muss. Marco und Marius sind vor mir, Sascha auch. 
Foto:Catfun.de

Und Marco und Marius sind ziemlich nah an Sascha dran. Wir sind auf dem Ehrenhof genannten Vorplatz, ich muss Tempo rausnehmen sonst sterbe ich hier gleich einen unehrenvollen Tod. Marco und Marius scheinen wahnsinnig zu sein, aber ich werde sie mir später holen. Zwei oder drei Läufer gehen vorbei, ich lasse sie gewähren. Schon ist der erste Kilometer um. Wir sind nun vor dem Kokerei-Gelände, dorthin werden wir aber erst in der zweiten längeren Runde gelangen. 3:49 für den ersten Kilometer, viel zu schnell und ich bremse nun merklich ab. Noch zwei Läufer kommen an mir vorbei, auch Irek ist dabei. Der ist auch gut drauf im Moment, den halte ich hier nicht. Marius und Marco sind etwa 100 Meter vor mir, Sascha und weitere sind nicht  mehr zu sehen. Schon sind wir wieder am Start.
1.Runde beendet, Kilometer 1,7! Foto:Catfun.de

 „Thomas Kühnen – für den ist das hier eine echte Sprintstrecke. Er ist sonst auf den Marathon- und Ultrastrecken zu Hause“ kündigt Andreas mich an. Wie recht er doch hat. Die vielen Zuschauer verbreiten eine tolle Stimmung für uns Läufer. Wieder laufe ich vor dem Förderturm mit dem Frakturschriftzug  „Zollverein“ vorbei. Kilometer 2 war mit 4:11 deutlich langsamer, Schnitt 4 Minuten. Ich beschließe, einfach nicht mehr auf die Uhr zu gucken, denn die Hälfte habe ich ja schon. Nicht auszudenken, wenn das hier ein 10er wäre! Jetzt einen Kilometer Konsolidieren und dann mal sehen, was noch geht. Irgendwie habe ich mich aber jetzt eingelaufen. Marco und Marius kommen näher, von hinten kommt schon länger keiner mehr. So vorne mit zu laufen ist seltsam, denn man schwimmt nicht in einer Masse mit, sondern muss selbst entscheiden, was man tut. Mit dem Rennausgang habe ich nichts zu tun, aber die Altersklasse könnte gut aussehen. Ich will jetzt kämpfen.  Ich bin jetzt in der Kokerei Zollverein, viele rostige Rohrsysteme über unseren Köpfen, die Gebäude des Architekten Fritz Schupp und  Martin Kremmer aus den frühen 30er Jahren. Kilometer 3 ist erledigt, die Zeit will ich nicht wissen, denn ich fühle mich wieder ganz gut. Gerade noch einmal rechtzeitig abgebremst, das war kurz vor dem Ende der Veranstaltung nach dem flotten ersten Kilometer! Über die Hauptachse der Kokerei geht es durch das Gebäude auf den Weg auf dessen Rückseite. Der ist neu asphaltiert, jeweils ein Schotterstreifen daneben. Herrliche Laufbedingungen herrschen hier. Als wir den Weg 2009 in umgekehrter Richtung bei Run & Rock gelaufen waren, war es ein besserer Trampelpfad.  An Marco bin ich dran. Der ist hinter Marius zurückgefallen. Ich gehe kommentarlos vorbei, um etwas zu sagen oder ihn mit zu ziehen fehlt mir die Luft. „Dein Schuh ist offen!“ Höre ich von ihm von hinten, es ist mir zunächst egal. Meine Schritte bei dem Tempo sind so groß, dass ich nicht Gefahr laufe, auf die Schnürsenkel zu treten. Ich habe Marius, auch er hat nicht mehr den Schritt, mit zu halten. Dann blicke ich an meinem Fuß hinab. Der Knoten unter der Schleife löst sich auch und daran ist eine der beiden Zeitmessschleifen befestigt.  Ich muss ihn zu binden, denn ich weiß nicht, ob mit nur einem Chip am anderen Fuß meine Zeit erfasst werden kann. Also anhalten, Schleife binden, hoch und weiter. Marius ist wieder vorbei, Marco noch nicht. Ich hole mir Marius ein zweites Mal. Hätten die beiden Mal mit mir gebremst, sie würden mich jetzt locker abhängen. Aber die Körner, die zu Beginn verbrannt sind, bekommst Du nicht mehr wieder. Kilometer 4, noch 1000 Meter. Kein Blick mehr zur Uhr, einfach laufen was das Zeug hält. Ich bin auf den Gleisen Richtung Kohlenwäsche und sehe schon wieder den Doppelbock des Förderturms, neben dem das Ziel sich befindet. Die beiden Läufer vor mir sind etwa gleich schnell, die kriege ich nicht mehr. Die Schienen, zwischen denen mit verdichtetem Schotter Wege angelegt sind, führen scheinbar endlos geradeaus, dann endlich die Linkskurve. Jetzt bin ich wieder auf der kleinen Runde, ich mobilisiere die letzten Kräfte.
Foto:Catfun.de

 Den schon höre ich Andreas Moderieren, sehe Zuschauer an den Zäunen rechts und links. Rechtskurve, Linkskurve, Zielgerade. Noch vierzig oder fünfzig Meter, dann bin ich da. Ein Blick auf die Uhr: 20:07 Min. steht da.
 Unglaublich. „Jaaaa!“ schreie ich und setze mich gleich auf meine vier Buchstaben. Ich bin völlig alle und kann es kaum glauben, dass es noch so eine Zeit geworden ist. Das wären 25 Sekunden unter meiner bisherigen Bestzeit aus Alpen 2012. Marius und Marco sind auch im Ziel, wir gratulieren uns und gehen auf die Wiese. Marco legt sich erst mal hin. Ich bin hin und weg und kann es nicht glauben, auch als Karsten Kruck mir sagt, die Strecke sei etwas zu kurz. Das ist mir egal, selbst wenn es 120 Meter waren, für die hätte ich keine 25 Sekunden mehr gebraucht in meinem Endspurttempo Darum geht es heute auch gar nicht. Ich war in der Lage, nach den 131 fünf Tage zuvor und dem enttäuschenden Marathon in Wien vor drei Wochen hier eine Bestzeit auf der Sprintstrecke zu laufen. Physisch wie Psychisch. Und ich hatte auch noch Spaß dabei, auf der sonst ungeliebten Kurzstrecke. Das ist gut für den Kopf, ich kann also auch noch schnell. Ja, ich weiß: Das Teilnehmerfeld war insgesamt nicht stark, die Strecke vielleicht etwas zu kurz. Aber ich will ja nicht in offizielle Ranglisten. Ich will Spaß am Sport. Und den hatte ich! Ist das nicht das wichtigste?

Erledigt und glücklich im Ziel Foto:Catfun.de

Der Verpflegungsstand war super gut bestückt. Frisches Obst mit extrem leckeren Äpfeln, Streuselkuchen, diverse Getränke standen ausreichend zur Verfügung.  Dann kam auch Claudia mit Kim ins Ziel, etwas über 26 Minuten und eine tolle neue Bestzeit für Kim, die von Claudia ins Ziel getrieben wurde. Für Marco war es natürlich auch eine Bestzeit, aber er ist am Ende halt ziemlich eingegangen und ihm war auch klar, welchen Blödsinn er da auf den ersten zwei Kilometern gemacht hatte.
Anfeuren beim 10er

Karin als fleißige Helderin - Dankeschön!
Claudia treibt Kim ins Ziel  Foto:Catfun,de
Auch beim anschließenden Zehner, den wir als Zuschauer verfolgten, wurden tolle Zeiten gelaufen, auch wenn hier die Strecke ein klein wenig zu kurz gewesen sein sollte. Alles in allem eine Top-Veranstaltung, die mit insgesamt 750 Teilnehmern für eine Premiere im Laufreichen Mai sehr gut besucht war. Das Wetter spielte toll mit, alles klappte reibungslos und fast alle waren gut gelaunt und hatten Spaß. Die Strecke ist, bis auf die kleine Steigung, durchaus als schnell zu bezeichnen, wenn es nicht zu voll wird. Und der Nachzielbereich könnte ebenso gut bei Regen in die Halle verlegt werden, wo die Startunterlagen ausgegeben worden waren. Der Industriepark bot eine tolle Kulisse, irgendwie haben diese Industrieruinen etwas. Auch wenn man sich nicht vorstellen mag, dass hier einmal tausende von Menschen Lohn und Brot fanden, sozial abgesichert und anständig entlohnt für schwere Arbeit. Auch daran kann man am 1.Mai in unserer "Geiz-ist-geil-Dienstleistungswirtschaft" einmal denken.
unsere Lichtinstallation bei "Speed-of-Light" 2013, gleich neben dem Ziel
Nicht nur tolle Erinnerungen an vergangene Laufevents, auch die Architektur und eben das „Ruhrgebietsgefühl“, von dem ich mich als Niederrheiner ja auch ein wenig zugehörig fühlen darf. Auch mein Großvater diente als Heizer auf Kohlezügen der Zeche Rheinpreussen…
Ich denke, 2016 werden wir bei der 2. Auflage dabei sein. Und das kann ich dem Leser auch empfehlen. Es wird sich lohnen – auch für den guten Zweck!


Fotos:

Danke an Wolfgang Steeg 


für die tollen Bilder! Dort findet Ihr noch mehr.

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