Sonntag, 3. Januar 2016

Silvesterlauf und weiter geht's

Ein frohes Neues Jahr zunächst allen Lesern, verbunden mit einem herzlichen Dankeschön für Eurer Interesse an meinem Geschreibsel. Immer wieder, wie auch in Werl/Soest werde ich auch unterwegs von mir unbekannten Lesern angesprochen, ich freue mich sehr darüber. Zeigt es mir doch, dass meine Gedanken und Empfindungen uns allen nicht so fremd sind und so manche sich wiedererkennt oder vielleicht sogar wiedererkennen möchte. Ich werde versuchen, in diesem Jahr wieder wöchentlich meine Trainingspläne und deren Umsetzung zu veröffentlichen, bis hin zur TorTour de Ruhr. Bitte: Diese Pläne sind von der Ausdauerschule by bunert individuell für mich und meine persönliche Situation gefertigt. Teilweise noch von mir eigenmächtig abgeändert.  Bitte  nicht blind übernehmen.

Aber fangen wir an mit der letzten Woche 2015, die zugleich die erste 2016 ist. Der Bergische Wupperlauf hatte Spuren hinterlassen. Zumindest in meinem Glutenus Maxximus oder wie der gemeine Arschmuskel denn so genannt wird. Dies und meine Jahresendträgheit, unterfüttert mit dem Appetit auf die übrig gebliebene Buttercremetorte, ließen mich die 70 Minuten GAT 1 am Montag dann mal ausfallen, obwohl ich früh Feierabend machen konnte. Ich hätte um 17 Uhr loslaufen können. Aber Faulheit siegte. Dienstag gab es dann kein Erbarmen mehr. Leider hatte sich seit Montag die Erkältung, die meine Frau über Weihnachten geärgert hatte, auf mich übertragen und das merkte ich beim Laufen sofort. Ich kam nicht auf Tempo, es machte in der Finsternis keinen Spaß. Auf dem kurzen Stück den Radweg entlang blendeten die Lichter des Gegenverkehrs auf der Straße. Ich bin kurz über der 5er Pace, empfinde das aber schon als extrem anstrengend. Und es ist langweilig. Ganze drei Personen begegnen mir am See oder später im Wald. Ansonsten nur den Tunnel des Lichtkegels meiner Stirnlampe und das Tagesgeschehen aus dem Radio im Ohr. Die Kilometer quälen mich dahin. Aber ich ziehe es durch. Die 5:06 am Ende sind sogar noch zufriedenstellend, aber die Erkältung scheint mich wirklich erwischt zu haben. Am 30.12, meinem letzten Arbeitstag wird es dann wie erwartet später, bis alles für denn Jahresabschluss fertig ist. Da ich dann erst gegen 18 Uht zuhause bin, beschließe ich nach den Erlebnissen des Vortages den Tempowechsellauf bleiben zu lassen. Ein wenig Erholung auf der Couch wäre für den Silvesterlauf am kommenden Tag die bessere Entscheidung. Und ich würde den  nicht, wie eigentlich gedacht, mit vollem Tempo laufen. Denn ich halte es nicht für gesund, mit Erkältung an seine Leistungsgrenze zu gehen. Aber ich kenne mich, wenn ich langsamer laufen soll, brauche ich eine Bremse. Da kam mir das Posting von Michael aus Weeze gerade richtig. Er wolle 70 Minuten laufen, schrieb er da. 70 Minuten - das passt. Und schon bot ich mich als Pacer an, was Michael sofort annahm. Für mich die klassische Win-Win-Situation. Ich hatte meinen anspruchsvollen Trainingslauf und Michael seine Wunschzeit. Denn die garantiere ich bisher fast immer (Eigenlob stinkt, aber so war es fast immer, wenn keine Verletzung dazwischen kam).
Der Silvesterlauf von Werl nach Soest liegt nicht um die Ecke, aber wir fahren bereits das 5. Mal hin. Es ist die Atmosphäre eines großen Stadtmarathons verbunden mit einer Veranstaltung für Jedermann, man hat das Gefühl, die ganze Region ist irgendwie eingebunden oder macht mit. Die Strecke ist durchaus kurzweilig und vor allem länger als die sonst üblichen 10 Kilometer.
Außerdem treffen wir regelmäßig viele Freund und Bekannte aus dem östlichen Teil des Reviers. Für uns ist das seit Jahren die eigentliche Silvesterfeier. Michael uns seinen Sohn Lukas treffen wir recht schnell und wir reihen uns dann in die Startformation ein. Lukas will unter einer Stunde, der gehört damit eh nach vorne. Und auch wir müssen mit einer 4:40er Plan-Pace machen, dass wir wegkommen, denn nach 100 Metern kommt eine Kurve, da wird es schnell eng. Ein Bekannter von Michael hat sich noch zu uns gesellt, wir sind also zu dritt. Der Startschuss ertönt, es geht los. Leider stellen sich auch hier immer wieder Läuferinnen und Läufer nach vorne, die da wirklich nicht hin gehören. Das ist eine Unsitte, gefährlich und das verurteile ich von hier auf das schärfste. Es geht  nicht darum, dass man sich mit einer Plan-Pace von 4:40 bei 4:30 hinstellt oder so, aber wenn ich - am besten noch zu zweit oder zu dritt - mir eine 6er Pace oder langsameres vorgenommen gabe, gehöre ich nicht 5 Meter hinter die Startlinie. Egal, wir kommen jedenfalls noch gut um die Ecke, ich drehe mich immer wieder um, aber Michael bleibt ca. 3 Meter hinter mir. Auch Michael kennt die Strecke, er war im Vorjahr schon dabei. Den ersten Kilometer absolvieren wir in 4:31, obwohl er bereits leicht ansteigt. Ich mahne zur Entschleunigung, denn wir sind ja eh zu schnell. Michael ist bereits 5 Meter hinter uns. Das irritiert mich, ich drehe mich immer wieder um. Schon zu schnell? Nun, der Plan geht immer von der Überlegung aus, dass der erste und letzte Kilometer sowieso immer schneller wird, also heißt es bei Kilometer zwei in jedem Fall, Tempodisziplin halten. Das klappt auch, denn es geht kurz noch einmal hinauf und dann, begleitet von einem Feuerwerk, vorbei an Zuschauern auf die B 1.
Wir sind auf dem berühmten Hellweg. Zu diesem Namen gibt es mehrere Deutungen. Einmal helwech (mittelhochdeutsch), eine Heerstraße, die auf einer Lanzenbreite von 3 Metern von Bewuchs freigehalten werden musste. Dann "Salzweg", vom griechischen Hals bzw. keltischen Hal für "Salz". Es war die Straße, die beginnend beim Rheinübergang in Homberg über Duisburg, Essen, Dortmund  Unna nach Paderborn und in den Verlängerungen zu den Kaiserpfalzen nach Aachen und Goslar führte. Wo sicherlich auch Salzhändler entlang gezogen sind. Macht dann auch wieder Sinn. Wir schwitzen ja gerade hier tausendfach welches aus. Erst mal geht es weiter. Schon kommt Westtönnen in Sicht. Lauffreund Günther geht an uns vorbei, auch Michaels Bekannter verabschiedet sich langsam nach vorne. Es geht hinab nach Westtönnen. Ich versuche wieder das Tempo anzuziehen, denn der zweite und dritte Kilometer war mit 4:42 und 4:41 etwas zu langsam. Darum gehen Günter und der andere Läufer auch nach vorne weg. In Westtönnen ist schon wieder gut was los. Es gibt Verpflegung, ich biete Michael an, etwas zu "servieren", aber er möchte nichts. Die Orte auf dem Weg nach Soest haben die unangenehme Eigenschaft, in kleinen Mulden zu liegen, so dass man immer bergab in die Orte hinein läuft und über einen Anstieg wieder hinaus muss. Runde vier passt dann, getragen von der tollen Stimmung in Westtönnen, wieder besser. Es geht hinauf aus dem Ort. Das sind keine harten Anstiege, wir reden über 6-10 Meter auf dem Kilometer, aber die nerven, wenn man das Tempo halten möchte. Zumal sie ja auf einem kürzeren Stück als dem Kilometer bewältigt werden müssen. "So, das erste Kaff haben wir schon hinter uns" versuche ich,, Michael zu motiveren. Er sieht schon ein wenig abgekämpft aus. Es geht über das freie Felde zwischen den beiden "-tönnens".Die Sonne kämpft sich durch die Wolken, keine Spur mehr vom angedrohten Regen. Ein toller Tag. Und ein toller Anblick, wie sich die B1 nach vorne wie nach hinten mit einem riesigen Lindwurm an Läufern gefüllt hat, der sich unaufhaltsam gen Soest voranschiebt. Auch in Osttönnen herrscht wieder eine tolle Stimmung. Die Zuschauer engen die Straße ein, aber das Feld ist bereits so locker auseinander gezogen, dass das nichts ausmacht. Wir müssen uns im Moment aber ranhalten, die Pace nicht aus den Augen zu verlieren. Wir überholen jetzt auch langsam wieder, aber die Pace bleibt immer einige Sekunden zu langsam. Ich klatsche Kinder ab und dirigiere mal kurz die Musikkapelle, dann geht es bergan aus Westtönnen hinaus. Hier werden wir naturgemäß wieder langsamer, denn auf 500 Metern sind 10 HM zu ersteigen. Ich rechne und merke, dass das unter 1:10 h nichts wird, das sage ich Michael natürlich nicht. Aber die geforderten "70 Minuten" sind noch drin, ohne jetzt mal auf die Sekunden dahinter zu achten. "Halbzeit" rufe ich auf dem Feld zwischen Westtönnen und Ampen aus. "Wir sind hier auch am höchsten Punkt der Strecke" versuche ich weiter das Positiver herauszustellen. Dann kommt Ampen in Sicht, hier ist immer am meisten los. Eine Gruppe jugendlicher Bollerwagenfahrer bietet Bier an, ein Läufer vor uns nimmt eine Flasche, trinkt einen Schluck und gibt sie zurück. Unter protestierenden "Austrinken"-Rufen verschwindet der Bollerwagen hinter uns. 10 Kilometer sind in Ampen erreicht. Die Stimmung hier ist toll. Verpflegung möchte Michael wieder nicht. Ich verweise darauf, dass nun die starke Phase von uns Langstreckenläufern kommt, weil die "10er!-Spezialisten hier immer anfangen, einzubrechen. Tatsächlich überholen wir wieder und können die Pace auf dem 11. Kilometer wieder unter 4:40 bringen. Vielleicht geht noch was im Endspurt. Michael muss jetzt kämpfen. Es sind nur noch 4000 m, das ist nicht viel. Der letzte läufts ich in der Altstadt immer fast von alleine, also noch drei zum durchkämpfen. Und er kämpft. Schon ist das Ortsschild von Soest zu sehen, die Jet-Tankstelle und der Kaufland-Komplex auf der rechten Seite. Jetzt kommt mir die dritte Übersetzung des "Hellwegs" in den Kopf. Nach Grimms Wörterbuch aus dem frühen 19. Jahrhundert ist es nämlich ein Weg, auf dem die Leichen gefahren werden. "Helvegr" sei der Weg zur Unterwelt. Nun, so weit muss es nicht kommen, dazu sieht Michael noch zu gut aus. Wir verlassen dann auch mal die B1, es geht gleich eine Schleife links ab durch ein Wohngebiet. Noch zwei Kilometer. Ich sehe auf die Uhr. 1:01:30, das hieße jetzt zwei Kilometer in 4:15er Pace. Nein, das wird nix. Einen ja, aber zwei kriegt Michael nicht hin, obwohl er schon wieder wesentlich motivierter aussieht. Also laufen lassen durch die Siedlung. Auch hier stehen eiige Zuschauer in der Kurve, die sich auch zu donnerndem Applaus motivieren lassen. Das war unterwegs nicht immer so. 4:29er Pace schaffen wir immerhin. Dann der letzte Kilometer. Ich treibe an. Ich schreie an. Viele laufen hier schon aus, aber wir haben noch Reserven. Man kann das jetzt optisch gut in kurze Stücke einteilen. Die Gassen werden enger, wir sind in der Altstadt. "Hinter der Linkskurve Vollgas" rufe ich Michael zu. Und es geht ab. Vorbei an einigen Läufern, ich bleibe auf Michaels Höhe, damit er nicht zurück bleiben kann. Tempo hoch. Dann der Bogen, danach sind es noch 10 Meter. Stop. 1:10:18 Zeigt meine Uhr. Mission erfüllt. Und Potenzial auf den letzten zwei Kilometern toll von  Michael abgerufen. Im Ziel warten bereits seine Frau Judith, die 15 km gewalkt ist, und Lukas, der eine super Zeit hingelegt hat und klar unter einer Stunde geblieben ist.
Unvorstellbar. Mit dem üblichen Hallo treffen wir noch viele Laufkollegen im Ziel und bewegen uns Richtung Klamottenausgabe. Auch hier machen die Jungs und Mädels vom DRK und THW wieder einen tollen Job. Dann das Umziehen im historischen Rathaussaal. Mixed Umkleide sozusagen, aber tolles Ambiente unter der blauen Kuppeldecke mit den goldenen Sternen. Danach düfen wir noch Helmut mit seinem TV Flerke an der Bushaltestelle besuchen, wo mit Grill und anderen Köstlichkeiten auf den letzten Lauf des Jahres gegessen und getrunken werden darf - gegen eine kleine Spende, die gerne in das Vereinssparschweinchen wandert.Eine schöne Tradition. Wir sind uns sicher, dass wir im nächsten Jahr wiederkommen werden.
Neujahr hole ich dann meinen ausgefallenen Tempowechsellauf bei herrlichem Wetter nach. Lediglich die Richtung hatte ich falsch gewählt, da ich komplett am Rheinufer mit Gegenwind zu kämpfen hatte. Aber der formt ja bekanntlich den Charakter. Ich bin sogar 1 Sekunde schneller als beim Silversterlauf, bei annähernd der gleichen Distanz. Und mit demselben Spaß. Wäre am Mittwoch Abend im Leben nicht gegangen.
Samstag geht es dann nach Essen. Der Baldeneysee hat uns auch 2016 wieder. "Neujahrslauf" inoffiziell, dennoch genug Leute da. 90 Minuten GAT 1 soll ich laufen, das wäre so um die 5:15er Pace. Aber angesichts der Belastungen der beiden Vortage darf es heute ruhig etwas langsamer sein. Es finden sich zu diesem"inoffiziellen Termin"  erstaunlich viele ein. Von Leo Dötsch in Tempogruppen eingeteilt ging es los, endlich mal wieder auf die große Runde mit Kupferdreh und Werden. Zu Werden musste ich meine kleine Gruppe dann ein wenig überreden, aber mit Verweis auf gute Vorsätze hat es dann geklappt. Ruck zuck hat 2016 schon wieder 32 Kilometer auf dem Tacho. Hat super Spaß gemacht, auch wenn die 5:30er Tempodisziplin doch ein wenig gelitten hat. Apropos Tempodisziplin: Es waren auch Neulinge dabei, auf die wir "alten Hasen" vielleicht abschreckend wirken. Ich fände es toll, wenn wir "Tempogruppen uns auch annähernd an das besprochene Tempo halten würden. Da tun wir nämlich allesamt nicht, da fasse ich mich auch an die eigene Nase. +/- 5 Sek/km sind o.k., aber 15 dann doch etwas viel, wie ich finde. Wir wollen ja in der Gruppe trainieren und keine "kenianischen Ausscheidungsintervalle" nach dem Motto "wer am Ende noch dabei ist, hat gewonnen" veranstalten. Vielleicht kriegen wir das ja mal hin. Denn es gilt bekanntlich nicht immer "viel hilft viel".
Die Woche beenden wir am Sonntag mit einem gemeinsamen Lauf durch unser heimisches Revier. Ganz locker und regenerativ, jedoch bauen wir die Halde Rheinpreußen mit ein. Diesmal über die steilere, unregelmäßig ansteigende Seite. Der Abstieg über die alten Trailpfade gestaltet sich jedoch extrem rutschig und matschig, es kann kaum gelaufen werden. Aber auch das kriegen wir in die Reihe. So endet die erste Woche 2016 oder auch die letzte 2016 mit fast 75 Kilometern. Bin gespannt, was die nächste Woche mit dem Kevelaer-Marathon zum Abschluss so bringt.

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