Freitag, 21. Oktober 2016

Unchain My Heart - endlich wie befreit

Heute war ich mal im Wald. Einfach so.Laufen. regeneratives Laufen sollte es werden, aber ohne Brustgurt. Freitags habe ich früh Feierabend, dann kann ich auch im kommenden Winter noch bei Tageslicht laufen. Montag, Mittwoch und gestern hatte ich die wohl letzten flotten bzw. Intervalleinheiten vor Frankfurt trainiert.
Unterwegs gehe ich das Programm der letzten Wochen einmal durch. Mitte August, nach dem Allgäu-Panorama-Ultra war ich durch. Eine Woche später reichte es beim Wörthersee-Halbmarathon nicht für eine Zeit unter 4:40. Es ging einfach nicht. Eine Woche absolute Laufpause, dann war der August herum und mir bleiben noch gut 8 Wochen. 8 Wochen, in denen ich mich zurück ins Tempo gekämpft habe. Nach vier Wochen hatte ich wenig Hoffnung. Zu quälend waren die Tempoeinheiten, wie mühsam war es, eine 4:45er Pace über auch nur 10 Kilometer zu halten. Wochen mit wenigen Einheiten, an deren Ende stand der Lichterlauf. 10 Kilometer. Es grauste mir vor der Distanz. Ich bin sie gelaufen. Ohne auf die Uhr zu sehen, nur gegen den virtuellen Läufer auf meiner Uhr. Wenn da keine Zeit deutlich unter 45 Minuten heraus gekommen wäre, hatte ich meine Frankfurt-Pläne wohl deutlich zurückschrauben müssen. Aber es ging eine 43:11. Keine Offenbarung, ein Ergebnis, das Mut machte. Also wurde dosiert weiter trainiert. Ich habe gemerkt, dass mein Körper nach den ganzen Belastungen in diesem Jahr Pausen braucht. Aber plötzlich am das Tempo im Training zurück. Ich hatte es nicht gezwungen, bin teilweise lustlos und voller Angst vor der Trainingseinheit los gelaufen, und dann ging es besser als gedacht. Die Pace unter 5 Minuten ging immer besser. Das machte etwas Mut. Aber über die 4:38er Pace in Frankfurt dachte ich gar nicht nach. Die Sicherheit kam am Sonntag beim Rhein-City-Run. Ich lief ihn gut in einer Pace von 4:32, habe mich nicht wirklich gequält und hätte das Tempo eine ganze Weile weiter laufen können.
Wie das konnte? Ich weiß es nicht. Eine physisch und psychisch, weil stets mit Selbstzweifeln durchsetzte, anstrengende Vorbereitung entwickelt sich zäh....und plötzlich platzt der Knoten. Laufen ist doch in jedem Falle Kopfsache. Wahrscheinlich habe ich nicht aufgegeben, weil ich das weiß.
Nach dem Lauf habe ich mich noch im Zielbereich via Facebook geoutet. Ich will die 3:15 in Frankfurt angehen. Ich will etwas riskieren. Einige Kommentare, die mir eine 3:25 und 3:22 prophezeien, motivieren mich zusätzlich. Denn ich weiß, dass man das bei mir nicht so ohne weiteres von einer Zehner- oder Halbmarathonzeit hochrechnen kann. Und die Leute kennen mich und meine aktuelle Situation nicht. Die Ratschläge sind gut gemeint und rechnerisch richtig, aber ich will diesmal nicht rechnen. Ich will etwas wagen, was im Normalfall nicht mit 60 bis 70 Wochenkilometern gehen kann.
Aber ich bin kein Hasadeur.
Montag danach war mir nicht nach erneuten 60 Minuten. Ich lief erst nach dem Abendessen, mit Stirnlampe. Und nur 6 Kilometer. Aber die taten gut. Am Mittwoch dann noch einmal 50 Minuten laufen nach Gefühl. 4:35er Pace, gefühlt locker. Das Tempo von Sonntag war wieder da. Auch die 200-Meter-Intervalle am Donnerstag liefen gut. All das bestätigt mich weiter, dass ich eine Chance habe, mein Ziel zu erreichen.
Dann ist es Frankfurt. Mittlerweile mein "Haus- und Hofmarathon". Mein 5.Start dort. Jeder Start war toll. 2011 mit einer frischen PB aus München und dem ersten Marathon unter 3:20 lief ich mit Daniela und Marion eine Zeit knapp unter 4 Stunden und lernte die Strecke kennen. 2012 dann meine noch heute gültige PB. ich wollte 3:15 und mir gelang eine 3:10:50. Bis heute unerreicht. Es lief so gut wie nie davor und nie mehr danach. 2013 dann mein Marathon eine Woche vor dem New York City Marathon. Mit Arbeits- und Laufkollegen Markus ging es in 5:25 ins Ziel. Stunden, nicht Pace. Markus war glücklich, ich war glücklich. Einen Freund zu seinem Traum verholfen. Auch das war ein Erlebnis, unterwegs und im Ziel. 2014 einmal nicht dabei, mit den vielen Bekannten am PC gefiebert und beschlossen, 2015 wieder dabei sein u wollen. Gesagt, getan. 10 Wochen nach unseren ersten 100 Meilen in Berlin wollte ich Dominik auf 3:25 ziehen. Bei Kilometer 30 musste er verletzt Tempo reduzieren, ich lief allein weiter und in eine Euphorie hinein. Eine 3:22 war die Belohnung für einen 12 Kilometer Endspurt.
Was fasziniert mich an Frankfurt? Ich weiß es nicht. aber es ist so. Ich liebe die Festhalle, der Zieleinlauf ist für mich der schönste. Ich will wieder dieses Gefühl von 2012, als ich auf dem Boden kniete und mit beiden Fäusten auf den Teppich getrommelt hatte. Wenige Sekunden Gänsehaut.
Dafür werde ich hart kämpfen müssen. Aber mit der Leidenschaft, die ich für den Marathon empfinde, kann es gelingen. Wenn es hart wird, schrecken mich 7 oder 8 Kilometer nicht mehr. Die Euphorie des Vorjahres auf der sonst als langweilig verschrienen Mainzer Landstraße kann  mir helfen, wenn die Kraft nachlässt. Und das Vertrauen in die 3:15 Pacer.
Meine Situation ist eine andere als 2012. Ich bin inzwischen im Beruf deutlich mehr belastet, arbeite mehr, intensiver und habe den Kopf nicht mehr so frei. Es ist schwer, sich im Büro abzuhetzen, damit das Training noch zwischen Arbeit und Abendessen mit der Familie passt. Und man läuft nicht so befreit los, wenn man nur schnell in die Laufklamotten springt und sofort wieder raus muss. Umso mehr brauche ich diese sportliche Herausforderung. Ich bin nun gestandener Ultraläufer, habe die 100 Meilen unter 24 Stunden und die 230 Kilometer in 32 Stunden absolviert, die 100 Kilometer, eine Triathlon-Langdistanz. Das kostet Sustanz, gibt aber auch grenzenloses Vertrauen in die eigene Ausdauer. Da kann man 7 oder 8 Kilometer schon einmal laufen, auch wenn es eigentlich nicht mehr geht. Darauf setze ich. Und das gibt mir die Überzeugung, es schaffen zu können.
Fast hatte ich meine Waldrunde beendet.So in Gedanken klang gerade Joe Cocker in meinem Kopfhörer. "Unchain my hear". Ein leidenschaftlicher Song. Befreie mein Herz. So fühlte ich ich heute. Der Druck ist abgefallen. Er wird zurückkehren, wenn ich im Schatten des "Hammering Man" unter dem Messeturm in Frankfurt stehen werde. Aber nicht vorher. Ich war gefühlt regenerativ eine Pace von 4:58 über 9,5 Kilometer gelaufen. Die Vorbereitung ist gelaufen.
Es kann  nun klappen.Oder auch nicht. Dann spielt es aber keine Rolle. Bestzeit wäre es sowieso nicht. Ich habe es dann versucht. Aber warum sollte es nicht klappen?

Ich habe dem Trainingsplan der Ausdauerschule misstraut. Und ihn auch einige Male zu meinem Vorteil abgeändert. Aber er scheint mich dennoch dahin geführt zu haben, wo ich hinkommen konnte.

Damit endet mein knapper Bericht über die Herbstsaison. Mir war nicht oft nach Schreiben. Aber ich komme langsam wieder mit mir und dem Laufen ins reine. Ich hoffe, über Rotterdam 2017 wird es mehr zu berichten geben.

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