Dienstag, 17. Februar 2015

Schlechter Auftakt und ein sonniges Ende in Bertlich

Der Trainingsplan der 11. Woche der "Road to Vienna" versprach durchaus Abwechselung, zusätzlich die von mir erwählte Variante, den 34-36 Kilometer-Lauf am Sonntag durch einen 30-Kilometer Wettkampf in Bertlich bei den dortigen Straßenläufen auszutauschen. Aber davon später.

Zunächst stehen am Montag 66 Minuten Tempowechsellauf auf dem Programm, 2 Minuten GAT 1, 4 Minuten GAT 3(!). Ich war gespannt, was meine Schmerzen im Bein wohl dazu sagen würden. Etwas später als geplant aus dem Büro zuhause angekommen zog ich mich um. Mein Garmin wollte Programmiert werden, aber mit den Gedanken noch bei den letzten Kreditentschedungen machte ich das prompt falsch. 6 x 6 sind ja auch 66 und nicht 36, oder? Ich merkte es beim Einlaufen Richtung See und beschloss, erst einmal abzuwarten, was mein Bein sagen würde. GAT 3, das wäre laut der rätselhaften Spiro eine Pace von 4:00-4:06, aber das ist utopisch für mich, nicht nur wegen des Wettkampfs in Nettetal am Samstag. Diese Tempohärte habe ich einfach nicht. Ich entscheide mich für 4:15 - 4:20, das sind 10-15 Sekunden über Marathonrenntempo und sollte reichen. Das Einlaufen ist schnell vorbei, es geht vier Minuten los. Mit Mühe halte ich eine 4:18er Pace und zähle im Geiste schon "nur noch fünf". Ich finde mich also schon mit den 6 Intervallen ab. Na ja, laufen wir erstmal weiter. 4:24er Pace in den zweiten 4 Minuten, das ist nur noch 5-6 Sekunden schneller als Marathon-Renntempo. Und meine Beine fühlen sich bleischwer an. Direkt nach einem stressigen Arbeitstag geht es nicht ganz so gut, Tempo zu machen. Das habe ich Donnerstags beim Bunert-Training auch schon so manches Mal gemerkt. 4:19,4:28 und 4:17 lauten meine nächsten Durchschittsgeschwindigkeiten und die erregen wenig Begeisterung. Es fällt schwer und ist doch unbefriedigend. Die zwei Minuten GAT 1 dazwischen halte ich so zwischen 5:20 und 5:25, das ist gefühltes stehenbleiben nach den Tempoabschnitten. Erst der sechste Tempoabschnitt entwickelt sich mit 4:15 in die richtige Richtung und mein Bein merke ich auch schon wieder leicht. Dann ist es schon besser, jetzt den Rest mal nur noch zu Ende zu traben. In ein paar Umwegen trabe ich nach Hause um wenigstens die 60 Minuten voll zu machen, von den fehlenden 4 Tempointervallen will ch nichts mehr wissen. Es wäre wohl besser gewesen, nach dem Zehner in Nettetal am Samstag diese Einheit mit dem Mittwoch zu tauschen. Ich beschließe, mir keinen großen Kopf zu machen und zu sehen, wie es am Mittwoch laufen würde. Meinem Bein würde der Ruhetag am Dienstag wohl gut tun. Zumal mir zum Ende noch der rechte Fuß eingeschlafen war.

Dienstag ist Stabi-Tag, wohin ich direkt von einer Dienstbesprechung fuhr.  Mittwoch ereilte mich dann neben des weiterhin bestehenden privat stressigen Umfeldes auch noch ein unverantworteter beruflicher Tiefschlag mit durchaus privater Auswirkung.Entsprechend später und mit Wut im Bauch kam ich erst nach halb sechs hinaus, um während des GAT 1-Laufes feststellen zu müssen, dass man nicht allen Problemen davonlaufen und sie unterwegs im See versenken kann. Mein Kopf war zu Hause immer noch nicht frei und der Schlaf sollte weiter schlecht bleiben. Ich bin eben nicht nur Läufer sondern auch in einem verantwortungsvollen Job und Vater zweier Töchter in - sagen wir mal interessanten Lebenssituationen. Immerhin bin ich zwei Runden um den Lohheider See im Sonnenuntergang eines herrlich sonnigen Wintertages mit etwas über 11 Kilometern in 52 Minuten gelaufen. Die fehlenden 8  Minuten sind dem zu späten Start zum Opfer gefallen. Davon lasse ich mich allerdings nicht stressen. Die Pace von 4:37 war mir jedenfalls wieder recht leicht gefallen und das stützte meine Theorie von Montag. Mein Fuß schlief mit anderen Schuhen wieder ein, wenngleich erst ziemlich zum Ende hin.

Altweiberdonnerstag bot mir zumindest einen ruhigen Nachmittag im Büro, denn wir schließen an diesem Tage um 13 Uhr und man kann ungestört Dinge "wegarbeiten" - oder früher nach Hause gehen. Für mich wartet nach Feierabend das Training der Ausdauerschule. Nach schönem Nachmittag mit bis zu 8 Grad wurde es "schweinekalt". Zwei Grad und eisiger Wind und am Morgen zu dünne Klamotten eingepackt. Aber es steht ja 40 Minuten Tempodauerlauf auf dem Plan. GAT 2, das heißt nach meinem Plan dann mal Marathonrenntempo 4:29-4:30. Es geht nach dem Warmlaufen los, ich laufe mal "langsam" los. Lasse Kosta vorlaufen und auch Mark und Peter gewinnen langsam Abstand. Aber es sind fast zwei Runden um die Regattabahn zu absolvieren, das zieht sich. Marinja und Michael scheinen nach hinten abgefallen, aber Jan und Mathias sind noch dabei. Aber das muss mir egal sein, ich laufe hier mein Ding. Was die anderen machen, ist mir egal. Es wird nicht wirklich hart, aber die Vorstellung, das Tempo über drei Stunden laufen zu  müssen, möchte jetzt nicht zu Ende gedacht werden. Nach einer Runde gehe ich an Jan und Mathias vorbei und wohl auch weg. 4:18 auf Kilometer 6 können oder wollen sie nicht mithalten. Ich stelle fest, dass es mir mit zunehmender Streckenlänge leichter fällt, das Tempo zu halten. Am Ende habe ich einen Durchschnitt von 4:24 auf den Kilometer für 40 Minuten gehalten und bin zufrieden.

Am Freitag schreibt Caudia mich an, ob wir am Nachmittag zusammen laufen wollen, da nur eine regenerative Einheit bei uns beiden auf dem Plan steht. Die Aussicht, im Sonnenschein  mal wieder unsere Stammrunde Lohheider See gemeinsam zu laufen baut mich auf, denn Lösungen für meine Sorgen gibt es leider vorläufig nicht. Aber es entwickelt sich langsam die Erkenntnis, nicht alles im Griff haben und beeinflussen zu können und dass manche Dinge eben nicht so laufen, wie es vor kurzem noch den Anschein hatte. Aber sie laufen dennoch und das ist dann auch gut so. Man soll sich nicht so unter Druck setzen und viele Dinge gelassener sehen. Diese Gedanken kommen mir in der Sonne des Lohheider Sees mit einem Blick auf die Frau an meiner Seite. Ich spüre hier eine tiefe Verbundenheit und das stille Verständnis, das nur lange Jahre gemeinsamen Lebens und Laufens erschaffen können. 6 Kilometer lang, etwas über 30 Minuten. Danach ist es wieder da. Aber es erscheint wieder ein wenig lösbarer.

Samstag ist nicht nur Karneval, was für uns eigentlich nur Taxi-Dienste für das liebe Töchterchen bedeutet. Wir kauften ein Zelt für den anstehenden 24-Stunden-Lauf am Seilersee, welches ich dann im Wohnzimmer probeweise aufbaute. Es ist ein großes Zelt mit 4 Schlafplätzen und einem Vorraum, in welchem ich auch mit meinen 190 cm stehen kann. Bei so einem Event kann es dauerregnen oder windig sein, da möchte ich meinen Rückzugsraum haben. Vielleicht wollen wir ja auch mal ein oder zwei Stunden schlafen. Aber der Seilersee-Lauf ist noch so weit weg, dazwischen steht Wien. Und darauf will ich am Sonntag in Bertlich hin arbeiten. Im letzten Jahr war ich mit Ümi vom Ayyo-Team eine 2:24 relativ konstant durchgelaufen. In diesem Jahr stellte ich mir mit Sven und Jörg sowie Trainingskollegen Michel ein richtiges Grüppchen zusammen. Der 30er besteht aus drei Runden. Ich möchte die ersten beiden in etwa in 5er Pace laufen, und in der dritten Runde auf mein Marathonrenntempo beschleunigen. Das entspricht meiner diesjährigen Vorbereitungsstraegie, die verstärkt auf moderates Tempo umfänglich gesteigerte Endbeschleunigung setzt. Mit Michael von der Ausdauerschule hatte ich mich bereits am Dienstag beim Stabi verabredet, dass Sven wieder mitgehen würde, sogar die dritte Runde, war nach unserem letzten Langen am Baldeneysee fast klar. Auch Jörg schloss sich uns an. Über Facebook hatten Sven und ich uns mit Michael von den Laufjunkies verabredet, als Mannschaft anzutreten. Beim Studium der Ergebnisse des letzten Februars - und nur diese sind in Bertlich jeweils miteinander vergleichbar - hätten unsere geplanten Zeiten für den Mannschaftssieg gereicht. Da meine Claudia natürlich den ganzen Marathon unter die Füße nehmen wollte, waren wir schon zeitig da. Ein Reporter der Stimberg Zeitung interviewte uns vor dem Start, dann ging es für Claudia schon losund ich hatte t noch 90 Minuten Zeit, meine "Teammitglieder" und Gruppenläufer zu treffen und den anderen Starts zuzusehen.

Ich lief mich mit Michael und Sven 1,5 Kilometer ein, nach dem Lauf würde ich Claudia noch ein Stück entgegen laufen und damit wohl die im Plan erwähnten 34 km voll machen können. Sehen würden wir uns wohl nicht, was an der Streckenführung mit einer gegenüber unserer 10er-Runde um knapp 4 Kilometer verlängerten Marathonrunde liegt.


Schon genau pünktlich zum Start sind wir nach dem Einlaufen wieder an der Linie, machen kehrt und sind schon von der Starterpistole auf die Dreifachrunde geschickt. Wir liefenn zunächst durch die kleine Bergarbeitersiedlung, dann ging es auf die Feldwege. Hier in Bertlich gibt es zwei Gesetze. Erstens geht es gefühlt immer leicht bergauf und zweitens ist immer Gegenwind. Das tolle Wetter euphorisierte förmlich und wir mussten uns gegenseitig immer bremsen, um nicht zu sehr die geplante PAce zu unterbeiten. Zwei bis drei weitere Läufer hatten sich uns auf den ersten Kilometer angeschlossen und kurz vor uns lief immer eine Vereinskollegin von Jörg, die sich in der zweiten Runde dann auch zu uns gesellen sollte. Mit dem einen oder anderen Witzchen, wofür Michael ja immer zu haben ist und guten Gesprächen verflog Kilometer um Kilometer. Ab Kilometer 5 wurde es richtiggehend warm, denn der kalte Ostwind war weg und kam nach einem weiteren Rechtsknick sogar von Hinten. Ich erkannte Alois vor mir, den Tortour de Ruhr 100-Meilen-Sieger. Ein kurzer Spruch, Alois winkte zurück und weg war er. Marathon natürlich. Mit Rückenwind wurde es doch so 5-7 Sekunden schneller auf den Kilometer, aber ich war überrascht, wie schnell doch der Start schon wieder in Sicht kam und die ersten 9,5 Kilometer geschafft waren. Meine Nachfragen nach dem Befinden der Gruppe wurde allerseits mit gut beantwortet, auch wenn es bereits etwas ruhiger auf der zweiten Runde wurde. Ich begann, mir schon Gedanken um die Tempoverschärfung zu machen, denn genau zu Beginn der neuen Runde ging es einmal hoch und dann erst mal voll in den Wind. Im Stillen beschloss ich, einen Kilometer früher anzufangen, damit wir den Bergab-Schwung zum Ziel noch zur Beschleunigung nutzen konnten. "Sagst Du uns Bescheid, wenn Du das Tempo verschärfst?!" bat mich einer der unbekannten Mitläufer. "Nicht, dass ich mitziehe und dann nach zwei Kilometern fertig bin" Ich versprach es. Kurz vor Ende der Runde trank ich mein Dextro-Flüssig, dann ging es los. Außer Sven hatte keiner das Bedürfnis, mit uns zu laufen. Jörg war verletzungsbedingt das Tempo verboten, Michael wollte wohl nicht übertreiben und der Rest war wohl mit 5er Pace gut bedient. Ist ja auch eine stramme Leistung, die allein über 30 km durchzuhalten. Bergab Richtung Ziel und dann in die Bergarbeiter-Siedlung ging es gut. Wir zogen nebeneinander her, wobei Sven am Wasserstand den Becher verpasst hatte. Dann ging es hinauf auf das Feld und es fiel schon schwerer, die Pace auf 4:30 zu halten. Am Ende des Feldes an einer kleinen Kapelle bleib er  kurz stehen, um zu trinken. Auch ich trank einen kleinen Schluck, dann ging es auf der Allee gegen den Wind. Hier wurde es echt derbe. Sven kam irgendwie nicht mehr mit. Das Teufelchen zur linken sagte mir "warte auf ihn, Du kannst ruhig langsamer laufen" und das Engelchen zur Rechten "Nein, Du ziehst Dein Ding durch". Oder war es anders herum? Egal. Wir kämpften uns die Bahnüberführung hinauf und weiter gegen den Wind. 4:42 piepste mein Garmin, die Warterei und die Brücke hatten Tribut gefordert. Es waren noch gut zwei Kilometer leicht hinauf und gegen den Wind, danach kann man aufholen. Ich begnügte mich mit 4:36 auf dem letzten Gegenwindstück und bog dann zum Endspurt ab. Sven war nicht zu hören, aber er würde sich nicht weit abschütteln lassen, er ist nämlich auch ein Beißer. Und prompt wurde es schneller. 4:20 ohne Gegenwind, fast ohne Mühe, soweit man dass nach 26 Kilometern noch behaupten kann. Ich versetzte mich auf Kilometer 36 nach Wien und durchlebte die gedachte Situation . Immer wieder bremste ich mich herunter auf die 4:30, ehe mich ein viel zu schneller Kilometer wieder zur Vorsicht mahnte. Ich wollte mich hier nicht kaputtlaufen und die Zeit war mir echt egal. Schon war ich auf dem letzten Feldweg, der auch noch Bauernweg hieß. Ein Stück auf dem Radweg, dann über den Real-Parkplatz und ich sah sie. Zwei Frauen mit Kinderwagen, die diesen genau am schmalsten Durchlass in den Weg schoben. "Nein!" konnte ich nur noch rufen, aber es war zu spät. Ein schneller Step auf die Wiese, wo mich dankenswerterweise kein verborgenes Loch in die Verletzungspause schickte, und ich war vorbei. Egal, ab durch Bertlich bergab zum Sportplatz. Vor mir sah ich zwei Läufer, die Roland und meine Claudia hätten sein können. Und prompt hörte ich ihren Namen vom Ansager. Was ist die für eine Zeit gelaufen? Ich war so auf Kurs 2:24, das wäre eine 3:54 im Marathon für sie. Nun ja, dann freue ich mich mal auf einen gemeinsamen Zieleinlauf. Es geht nun links statt rechhts ab, parallel zum Sportplatz an dessen Ende und dann einen kurzen Berg hinunter direkt an den Scheitelpunkt der Kurve auf die Laufbahn. Sprint, damit ich Claudia noch einhole. Gut, dass sie nicht sprintet, dann hätte ich wohl keine Chance mehr. In der letzten Kurve hole ich sie ein, da es verschiedene Zielkorridore sind, laufen wir gemeinsam eins Ziel. 2:23:59 sagt meine Uhr, nebenbei eine Bestzeit auf 30, da schneller als im letzten Jahr. Und Claudia läuft mal eben eine 3:54 im Marathon. Sie hatte mit Roland einen netten Bekannten als Begleiter.
Sven kommt nur kurz nach mir, ich hatte es gewusst. Er hatte sich festgebissen und am Ende sogar wieder aufgeholt. Nach und nach kommt der Rest unserer Gruppe aus den ersten beiden Runden, es hat sich doch sehr zerfasert auf den letzten Kilometern. Mit einem gemeinsamen Gruppenfoto am Getränkestand verabschieden wir uns unter die Dusche, um anschließend in der Cafeteria die Siegerehrungen zu verfolgen.

Dort leider wieder das gleiche wie im letzten Jahr: Pommes aus, Kuchen aus, Waffelteig aus. Mit Glück ergattere ich noch zwei Bratwürste und eine nette Waffelbäckerin bringt uns eine halbe Waffel aus dem zusammen gekratzen Rest Teig. Ich habe wohl zu laut reklamiert, dass ich es schade finde, dass ausgerechnet die Läufer, die die längsten Strecken laufen, nichts mehr zu essen erwerben können.
Bei der Siegerehrung haben wir Laufjunkies diesmal Pech. Hinter dem Team Ayya reicht es nur zu Platz vier von sechs(!) Teams. Aber das ist egal. Ich habe trotz taktischen Lauf Platz 4 der M45 erreicht, Claudia sogar Platz zwei im Marathon in der AK.
Ein schöner Tag bei traumhaftem Wetter lässt die Veranstaltung in einem deutlich positiverem Licht erscheinen als noch vor einem Jahr.
Und wie ich das Tempo hinten heraus durchziehen konnte hat mich selbst beeindruckt, auch wenn Eigenlob jetzt einmal stinkt wie die frisch gedüngte Felder, die uns unterwegs mit ihrem würzigen Duft verwöhnt hatten.

Ach ja, mein Bein habe ich nicht gespürt.







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