Sonntag, 29. Januar 2017

Theorie und echte Praxis - Spiro und der "Zehner"

Die 8. Woche - nach wie beschrieben durchwachsener 7. Woche - versprach ein wenig erholsam zu werden, denn an deren Ende stand der erste Lauf der Winterlaufserie an. Nach dem Silvesterlauf Werl-Soest und dem Langen Lauf beim Kevelaer-Marathon der nächste echte Testpunkt auf meinem Weg Richtung neue Marathon-PB in Rotterdam. Außerdem war es an der Zeit, die Trainingsfortschritte einmal anhand einer weiteren Leistungsdiagnostik überprüfen zu lassen. Hier war dann mal eine Spiroergometrie angesagt. Aber der Reihe nach, Zunächst stand erst einmal das Bahntraining auf dem Plan. Trainer Roman hatte für uns am Montag 6 x 500 Meter mit allerdings nur 100 Metern Trabpause herausgesucht. Das klingt nicht viel, aber 3 km absolutes Vollgas mit kurzen Erholungen ist auch nicht wenig, wenn mal einmal genau darüber nachdenkt. Mein Mitläufer Thomas war wieder dabei, was für mich gut war, denn Rotterdam-Begleiter Martin ist für mich auf den Kurzdistanzen schlichtweg zu schnell. Wir schafften alle 500er in Zeiten um die 1:50/1:51 Min.,was einer Pace so um die 3:30 entspricht. Hart, aber am Ende ganz gut machbar. Das tückische an 500 Metern ist halt, dass man eine Gerade immer doppelt läuft und das dann für den Kopf jedes Mal eine gewisse Herausforderung ist. 
Dienstag ging es zur Spiro. Hier wollte ich meine Daten dann einmal überprüfen lassen, denn meine Pulswerte vom Laktattest Ende November passen ja irgendwie nicht zum Lauftempo, das seinerzeit dazu ermittelt wurde. Was zur Folge hatte, dass ich eher "gefühls- und tempoorientiert" trainiert hatte, damit aber bisher auf einem guten Weg zu sein scheine. In Absprache ersetzte die Spiro auf dem Laufband dann mal die 45 Minuten GAT 1, die ansonsten auf dem Plan gestanden hätten. Das ganze fängt dann an, dass man in etwa auf 7er Pace beginnt und dann alle 30 Sekunden um 0,2 km/h das Tempo des Laufbandes erhöht bekommt. Mittels einer Gesichtsmaske mit Atemgasanalysegerät werden neben den Herzfrequenzen per Brustgurt nun auch die Sauerstoffanteile der ein- und ausgeatmeten Luft gemessen. Daraus macht Kollege Computer mit zarten, fachkundigen Eingriffen des behandelnden Diplom-Sportwissenschaftlers meine neuen Geschwindikkeitsbereiche. Bei einer Pace von 3:36 strich ich dann nach 20 Minuten die Segel, um noch weitere 5 Minuten auszulaufen. Wen meine neuen Tempobereiche interessieren - hier sind sie. Im Wesentlichen weichen sie nicht ab.
Auszug aus dem Ergebnis meiner Spiro der Ausdauerschule by bunert
Mit einer Pace unter 5:11 bin ich also im GAT 1-Bereich, damit kann ich leben, auch wenn der bis runter zu 4;33 recht großzügig bemessen zu sein scheint. Das heißt aber auch dass ich mich für meine angepeilten 4:29 Minuten pro Kilometer in Rotterdam durchaus schon fast in Schwellenbereich GAT 1/2 befinde, wo diese auch hin gehören. Ich habe mich noch länger mit dem Schleifer nachher darüber unterhalten. Er würde mich im Moment auf 3:15-3:20 einschätzen, was meine aktuell mögliche Marathonzeit betrifft. Da diese aber kein reines Rechenexempel, sondern eine Sammlung vieler Faktoren ist, ist uns beiden klar, dass ich mit Erfahrung und meiner mentalen Stärke da unter Umständen am Ende noch würde eine das entscheidende Sekündchen herausholen können. Gut, dass man den Marathon nicht auf dem Reisbrett planen kann. Sonst wäre es ja langweilig. Aber so eine Messsung, die bestätigt, dass man auf dem richtigen Weg ist, macht auch den Kopf wieder etwas stärker.
Die Messung erklärte auch wohl meine unterschiedlichen Empfindungen, was das GAT-1-Tempo betrifft. Der Schleifer bezeichnete es als indifferenten Bereich. An guten Tagen (kein Stress, guter Biorhytmus) empfinde ich 4:40er Pace als durchaus angenehem, manchmal aber eine 4:50er PAce als kurz vor dem Zusammenbruch stehend, wenn ich sie eine Stunde gelaufen bin. Wenn es dabei noch dunkel ist und ich gehetzt aus dem Büro in die Laufklamotten steige, erklärt das einiges, was ja irgendwie auch sowieso klar ist. 
Wie sehr mir der Test Auftrieb gibt, das würde ich beim 10er-Rennen am Samstag im Rahmen der Winterlaufserie dann zu beweisen haben. Folgerichtig standen am Donnerstag wie immer vor solchen Wettkämpfen nur 2 x 1000 m im geplanten Renntempo auf dem Plan beim gemeinsamen Training der Ausdauerschule. Die absolvierte ich in glatten 4 Minuten, wobei es mir auf dem stockfinsteren Kameraweg der Regattabahn doch recht schwer file, mein Tempo einzuschätzen. Gut einschätzen konnte ich jedoch am Ende der 1000 Meter, dass ich dieses Tempo nicht würde über die zehnfache Distanz halten können. Aber eine Bestzeit auf 10 Kilometer, die dann unter 41:30 liegen müsste, stand auch nicht auf meinem Plan. Dass die Woche mit knapp 40 relativ wenig Laufkilometer haben würde, entlockte dem Trainer am Donnerstag nur ein "Ja, und?" Erholung vor einer Belastung ist halt auch wichtig, viele vergessen das.
Der Samstag versprach mit Temperaturen deutlich im positiven Bereich zudem auch noch gutes Laufwetter, zum ersten Mal seit langen Wochen der Temperaturen um den Gefrierpunkt. Ich bin  ja ohnehin eher der Wärmeläufer.
Und so stand ich dann in der Startformation des 10-Kilometer Feldes hinter der Arena und wartete auf den Startschuss. Keine Musik in den Ohren, mittelmäßig konzentriert, aber dafür wieder einmal übermäßig nervös. Ich wollte eine Pace von 4:20 mindestens laufen, zumindest auf der ersten Hälfte. Danach konnte man "die Handbremse lösen", wie Schleifer-Sven  immer so schön sagt. Einen Pacer hatte ich nicht, irgendwie finde ich selten jemand, der men Tempo laufen möchte. Dass Dr.Martin mir zu schnell sein würde, war klar. Er hat die sub40 auf 10 km drauf, ich nun einmal nicht. Ist ja auch ein wenig jünger. Also los.
Der erste Kilometer fühlte sich recht gut an, war aber mit 4:10 deutlich zu schnell geraten. Also Tempo raus, sonst würde das später ungemütlich werden.
Über die Kruppstraße steigt der Weg leicht an auf die Masurenallee, wo zudem der Wind leicht von vorne blies. Ich lies bewusst eine kleine Lück zu der Gruppe vor mir entstehen, um tatsächlich langsamer zu werden. Denn auch Kilometer 2 lag bei 4:17, 3 und 4 dann schon wieder bei 4:13. Aber mir ging es gut und über ein Drittel waren schon geschafft. Der Wald am Ende der ersten 5 kilometer war bereits zu sehen, als mir Karol Grunenberg als führender Läufer entgegen kam. Für ein paar anfeuernde Worte hatte ich die Luft, also ging es ja. Da im Wald ja bekanntlich die Räuber sind, welche der Pace schon einmal die eine oder andere Sekunde rauben, plante ich für Kilometer 6 auf den engen, Kurvenreichen Waldwegen etwas mehr Zeit ein und beendete diesen dann auch in 4:24. Ich vermied riskante Überholmanöver und blieb hinter meinen Vorläufern. Zurück auf dem Radweg der Masurenallee lief es dann aber von alleine wieder. Fast erschrak ich vor mir selbst, als ich Kilometer 7 wieder mit einer 4:09 absolviert hatte, ohne das Gefühl, schneller geworden zu sein. Für eine Bestzeit hätte ich jetzt alles in die Waagschale werfen können, aber das wollte ich aus bestimmten Gründen auf keinen Fall. Also weiter disziplinieren. Immer wider hörte ich aus dem Hauptfeld auf der Straße meinen Namen, Viele Laugkollegen erkannten mich und feuerten mich an. Das ist wirklich schön und half unheimlich, auch wenn ich ohne Brille keinen erkennen konnte. Scharf sehen ist bei mir dann leider auf Entfernung nicht mehr so toll. Für die Kilometerschilder reicht es, aber auf diesem Kurs kenn ich eh die Stellen fast auswendig, wo die stehen. Bei Kilometer 8 war ich zurück auf dem Kameraweg der Regattabahn, hier hatten wir vor 40 Stunden noch die 1000 Meter Renntempo trainiert. 4:15 hatte ich soeben dafür gebraucht. Ich überholte und wurde kaum noch überholt, wusste, dass ich meinen Rennplan im Sack hatte. Auch wenn der 9. Kilometer noch einmal eine Brücke, ein Waldstück mit den berühmten Pace.Räubern und die "Spielplatzsenke" für kich bremsend bereit hielt. Dennoch zeigte meine Uhr mir danach eine 4:13. Der letzte Kilometer lief dann von alleine. Was hatte ich vor zehn Tagen noch auf der Friedrich-Alfred-Straße mit der 4:13er Pace bei den 3 x 2,5 Kilometern GAT 3 im Training gekämpft und sie nicht erreicht, hier ging sie von allein. Im Stadion setzte ich auf der Bahn, die seit zwei Monaten nun ja auch meine Trainingsbahn genannt werden darf, zum Endspurt an. Mit einer 3:58 auf dem letzten Kilometern und einer 42:13 war ich mehr als zufrieden im Ziel. Die Herzfrequenz - im Schnitt bei 154, laut Spiro sollte sie über 148 liegen. Lag sie ja dann. Die Pace lag allerdings nicht bei 3:53 - aber das wäre ja auch nur in der Spitze und noch nicht für 10 Kilometer gerechnet. Mit den 3:58 auf dem Schlusskilometer kann ich arbeiten.
Im Ziel wartete Trainer Roman auf uns Ausdauerschüler. Er hatte zuvor knapp den zweiten Platz der kleinen Serie geholt. Auch er schien mit meiner Zeit zufrieden. Ich war eine Minute schneller als bei meinem letzten 10er im Rahmen des Lichterlaufs und der Franfurt-Vorbereitung Ende September. Damals waren die 43:11 die Wende zum besseren, ich konnte mein Ziel in Frankfurt ja auch erreichen. Aber ich war fertig ohne Ende damals nur zwei Straßenecken weiter auf der Kruppstraße. Heute ging es mir recht schnell wieder gut und richtig schlecht hatte ich mich unterwegs niemals gefühlt. Hat der "Zehner" damit für mich seinen Schrecken verloren?
Das Warten auf Claudia zog sich länger als erwartet. Ich hätte fest mit einer flache 48er Zeit gerechnet, wenn nicht sogar eine hohe 47 (ihre PB liegt bei 46:46), denn sie hatte in den letzten Wochen nur Lob vom Schleifer kassiert. Leider kam sie erst kurz vor 50 Minuten ins Ziel. Ihre Achllessehne machte ab Kilometer 3 Probleme und sie konnte nur mit Schmerzen und damit langsamer zu Ende laufen.
Aber sich ist eine große Kämpferin, dafür ist die Zeit immer noch sehr gut. Sie hat häufiger damit zu kämpfen, das ist halt das Problem beim Tempotraining. Zufrieden ging es nach Hause, der für mich härteste Wettkampf der Vorbereitung war gut geschafft. Natürlich diskutiert man nach so einem Lauf viel auf Facebook mit seinen Laufkollegen und -bekannten. Das macht mir Spaß, es ist schön, Glückwünsche zu lesen und selbst auszusprechen.

Ich hatte meine Aufzeichnung gepostet und geschrieben, dass ich nicht mehr alles herausgeholt hatte. Denn Montag sei wieder Bahntraining.

Ein erfahrener "alter Hase" schrieb mir folgendes: "Zu meiner Zeit wurde sich im Wettkampf nicht für ein Bahntraining geschont. Es gibt kein besseres Training als Wettkampf, dagegen ist Bahntraining die reinste Erholung (Smiley)"


So etwas sehe ich durchaus als ernst gemeinten Hinweis und fühle mich dadurch auch in keiner weise angegriffen. Denn auch das macht das soziale Netzwerk aus. Andere Meinungen äußern, lesen und darüber nachdenken. Nur ein "Toll, super gemacht!" bringt einen nicht weiter. Nun, in diesem Falle hatte ich geantwortet;
"Ich denke, diese Leute gab es auch zu Deiner Zeit, (...). Eine 10er Zeit ist mir relativ egal, ich hasse diese Distanz. Ich brauchte diese Verbesserung im Vergleich zum Lichterlauf, um den weiteren Sinn meines Trainings zu verinnerlichen, ansonsten muss ich am 9.4. eine 4:29er Pace aufs Parkett legen und keine 4:15er. Darum sehe ich keinen Sinn, mich im Vorfeld mental (das vor allem) kaputt zu laufen, wenn es z.B. im weiterem Rennverlauf einen Einbruch gegeben hätte. Zu Deiner Zeit hat z.B. auch Jörg Bunert alles geknallt, was ging. An jedem Wochenende - und sagt selbst, dass er sich damit vielleicht noch bessere Marathonzeiten verscherzt hat. Ich schätze dennoch Deine spitze Bemerkung, weil ich solche Diskussionen auf dem gegebene sachlichen Niveau liebe. Vielleicht ist es ja so, dass ich unter 3:10 eher schaffe, wenn ich die 10er auch in höherer Anzahl durchballere. Aber davon bin ich nicht überzeugt. Und da sich die Langstrecke und das Training dafür vor allem zwischen den Ohren abspielt, bleibe ich bei meinem Plan, der auch von den Trainern der Ausdauerschule so unterstützt und geplant ist. In Bertlich werde ich in 14 Tagen beim 30er einen Crescendo-Lauf machen und jede 10er Runde die Pace um 10 Sekunden erhöhen. Da schone ich mich dann ja auch für das weitere Training. Ich habe einen Plan, und den habe ich in der Vergangenheit zumeist gut umsetzen können. Aber nochmal - danke für Deinen Denkanstoß."
Mit diesem Eigenzitat schließe ich die achte Trainingswoche. Ach ja, ausgelaufen bin ich heute mit Claudia locker in 5:45er Pace eine Runde um den See. Jetzt geht es in die 9. Woche. Ich freu mich drauf.







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