Samstag, 18. Februar 2017

9 1/2 Wochen - Höhepunkt in Bertlich

Es geht in die zehnte Woche des Trainingsplans für Rotterdam und es wird wieder Winter. Der Plan mit dem Höhepunkt des 30-Kilometer-Crescendo-Laufes im Rahmen der Bertlicher Straßenläufe am Sonntag sieht dann mal so aus:
9 1/2 Wochen - das ist der Titel eines Filmes aus dem Jahre 1986 mit Mickey Rourke und Kim Basinger, der allerdings den Schwerpunkt auf andere Arten der körperlichen Betätigung setzt.
Beide lernen sich kennen und lassen sich auf eine  Beziehung ein, in der sie immer neue, anregendere Spielarten bis hin zu solchen mit sadomasochistischer Natur praktizieren. Man testet dabei immer neue Grenzen aus, kann bzw. will sich aber nicht auf eine emotionale Beziehung einlassen. Nun ja, so ähnlich ist das bei mir mit dem Tempotraining auch nach 9 Wochen noch. Anregende Spielarten mit sadomasochistischer Natur habe ich montags bereits kennengelernt. So auch in dieser Woche. 3 x 1200 m mit nur 200 m Trabpause dazwischen. Hört sich nicht viel an, ist aber im Grunde nichts anderes als ein 5er unter Vollast mit 200 Metern Rabatt. Bei 5 Grad und fiesem Wind durchaus als Sadomasochismus zu bezeichnen. Es ging immer in etwa in 4er Pace. Das ist ein Tempo, was mich in der fiesen dritten Runde regelmäßig an meine Trainingsgrenze bringt. Warum 1200 m so fies sind? Man muss halt drei volle Runden Vollgas gehen, dabei die "800-Meter-Grenze" und auch noch die "1000-Meter-Grenze", die der Kopf gerne mal als Ziel solcher Intervalle ansieht, überlaufen und weiter ziehen. Leider musste ich dies am Montag auch noch alleine machen, denn weder Thomas noch Ralf, die in etwa mein Tempo laufen, waren dabei. Michael und Mathias sind hier zu schnell für mich. Und alleine ist es halt schwieriger. Aber ich schaffte es, das Tempo alle 4 Intervalle zu halten. Für 5 km unter 20 Minuten fehlen dann noch das Weglassen der Trabpausen, aber es war ja nur Training und obendrein kalt. 
Dienstag gab es wieder Trainer Nils mit einem ansprechenden und lustigen Stabi Training. Koordination an der "Leiter" und anschließend eine Übungsreihe mit großen Bällen -passt ja auch irgendwie in 9 1/2 Wochen.
Mittwoch fand unser traditionelles Jahresessen mit alten Baerler Schulfreunden statt, ich verschob also die 60 Minuten Laufen auf Freitag oder Samstag. Wäre eh nicht rechtzeitig aus dem Büro gekommen. 
Donnerstag dann der zweite Sado-Maso-Akt der Woche. Na ja, Akt eher nicht, denn dafür war es mit 0-1 Grad etwas zu kühl. Trainer Roman wählte de Kameraweg an der Regattabahn aus, um uns mit der körperlich anregenden Spielart der 800 Meter zu reizen, das ganze dann 7 Mal und im dunklen, damit es sich auch gemütlich wird.. Unsere Gruppenrakete Mathias bekam diesmal die Order, nicht schneller als ich zu kaufen. Wenn ich zu was tauge, dann wenigstens als Bremse. Ist das jetzt schon eine neue Dimension der Erkenntnis? 

Ich habe immer seit unserem ersten eigenen Trainingsplan aus dem Jahre 2010 im Kopf, der besagte, man solle die 800 Meter in Minuten und Sekunden so schnell absolvieren, wie man den Marathon in Stunden und Minuten laufen will. Das wäre also 3:09 für 800 Meter. Nach ausführlichem "Vorspiel" in Gestalt von 2 km Warmlaufen mit einigen gymnastischen Übungen ging es also los. Wir liefen bei wieder einmal eisigen Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt lieber dann gleich zügig los. Irgendwie war ich zu Beginn immer vorne. Liegt daran, dass ich immer sofort auf Tempo bin, andere brauchen etwas mehr Anlauf, 3:04, der erste. Etwas zu schnell, merke ich an. In die andere Richtung geht der nächste dann in 3:02. Wieder zu schnell. "Jetzt aber langsamer, Jungs, es sind noch ein paar!" 2:59, hat ja gut geklappt. Je häufiger wir langsamer werden wollen, desto schlechter klappt es. Peter behauptet, ich wäre schnell geworden. "Das täuscht und beschränkt sich auf 800 m" entgegnete ich.2:58, 3:00. Das klappte ja mit "langsamer". 2:59, der vorletzte. Langsam gingen die letzten Meter ans eingemachte. Nun noch einmal Richtung Regattatribüne. Das hat den Vorteil, dass der dunkle Weg erst vor den letzten 200 Metern einen kleinen Bogen macht. Dann sieht man das Ziel, die beleuchtete Brücke, erst recht spät. Peter zog weg, er wollte wohl sehen, was noch geht auf 800. Ich ließ die Lücke zu. Mathias ging auch einige Meter vor. Kurz hinter ihm ging ich ins Ziel des 7. 800ers. 2:54. Alter Schwede! Aber was sollte ich sagen, ich habe 7 800er Intervalle in gutem Tempo relativ gut überstanden. Kein Vergleich zu den 800 m-Runden Anfang Dezember auf dem MSV-Parkplatz. 

Freitag oder Samstag wollte ich die 60 Minuten GAT 1 nachholen. Wieder mal spät aus dem Büro entschied ich mich für Samstag, es sollte ein Fehler sein. Oder auch nicht. Denn noch im Halbschlaf erhielt ich ein Video meiner Tochter, die bereits auf dem Weg zur Uni war. Alles verschneit draußen! Der Blick aus dem Fenster bestätigte die Großwetterlage. Es schneite. Während unseres Frühstücks hörte es dann auf. Also was hilft es, nach dem Aufwärmen durch das Freischaufeln des Hofes zog ich meine Gore-Tex-Trail-Schuhe an und machte mich ohne große Tempoerwartung auf ins Binsheimer Feld. Irgendwie hat Schnee ja etwas faszinierendes. Er bedeckt das Land, deckt allen Schmutz und alle Unebenheiten mit reinem Weiß zu. Irgendwie aber auch den Verstand der Menschen, wie mir schien. Sehr nett der Autofahrer, der neben mir Richtung Rhein nicht langsamer oder etwas weiter weg durch den Schneematsch fahren musste. Spritzt ja gar nicht. Hatte auch gar nicht angezeigt, dass er langsamer fahren solle. Nett auch die Rentner-Wandertruppe, die den Leinpfad am Rhein komplett angemietet hatten und nur Zentimeter Platz machten, auch wenn man von vorne zwei Mal um Vorsicht bittet. Und zuletzt am Lohheider See bergab die zwei Familien, die mit Hund, Kinderwagen und Kleinkindern den komplette Weg zustellen und mit erstaunt beim näherkommen zusehen, ohne auch nur einen Meter Platz zu machen.
Ich glaube, die haben sich alle etwas Schnee durch die Nase hochgezogen.... Am Ende war es wieder eine 4:44er Pace auf knapp 13 Kilometern. Job well done, würde ich sagen. 










Sonntag dann Bertlich. 9 1/2 Wochen sind ja um es sind ja nun volle 10. Der Schleifer hatte uns auf den Trainingsplan 30 km mit ansteigender Pace geschrieben. Runde 1 4:50-5:00, Runde 2 in 4:40 - 4:50 und Runde 3 in 4:30 - 4:40. Ich war mit Sven, meinem Begleiter auch in Rotterdam, mit Mark und seinem Bruder Lars verabredet. Wir wollten das Ganze zusammen angehen. Mir war dabei vor allem die letzte Runde wichtig, hier sollte ich die Pace von etwa 4:30 halten können, das wäre ein gutes Signal Richtung Marathon. Die erste Runde zeigte Bertlich sich einmal gleich von seinem bekannten Gesicht. Gegenwind! Gut, dass dieser nur auf den ersten 5 Kilometern der Runde uns entgegen blies, die zweite Hälfte der Runde uns aber von hinten anschieben würde. Zunächst waren wir bemüht, zu bremsen. Außer Mark, der immer wieder das Tempo forcieren wollte und von Sven und mir eingebremst werden musste. Dennoch blieben wir mit Kilometerzeiten um die 4:50 immer am unteren, schnelleren Ende der vorgegebenen Bandbreite. Die zweite Runde bedeutete dann die Beschleunigung auf 4:40-4:50. Natürlich kurz bevor wir wieder auf die Felder in den Gegenwind abbiegen mussten, aber das war ja klar. In Bertlich, so scheint es, werden die allgegenwärtigen Windräder nicht stromerzeugend vom Wind angetrieben sondern verursachen stromangetrieben als große Ventilatoren zusätzlichen Wind. Wir liefen auf die führende Frau im Marathon auf, der wir mit Mark, Sven und mir erst einmal 4 Kilometer Windschatten spenden durften, den sie auch denkbar annahm.
Auch hier bewegten wir uns mit einer Pace von 4:40, teilweise knapp darunter, am unteren Rande des Trainingsziels. Lars wurde schon ruhiger, je länger die Runde dauerte. Mark war noch nicht zu bremsen und Sven hielt natürlich noch gut mit. Dann entließen wir die Dame vom Marathon wieder auf ihre letzten 2 Kilometer Gegenwind der Marathon-Zusatzschleife, als wir aus dem Wind abbiegen und uns zum zweiten Male auf den Rückweg machen durften. Den letzten Kilometer der Runde, der vorbei am Zielsportplatz leicht bergab führt, verlangsamten wir noch einmal bewusst, dann ab Kilometer 20 sollte es mit der Pace auf 4:30 und damit im gegenwind ans "Eingemachte" gehen. Diese Einheiten sind sehr wichtig in der Marathon-Vorbereitung, denn die Vorermüdung ist durch die zügigen 20 Kilometer gut simuliert. Dann ist es wichtig, das Marathon-Renntempo gut laufen zu können. Mark und ich zogen stufenlos auf 4:30 an, dabei verloren wir Mark und Sven bereits, die schnell 15 Meter hinter uns und damit "weg" waren. Aber so ist das in der Gruppe. War auch nicht schlimm, würde Sven oder mir in Rotterdam auch so gehen können. 

Im Wind war es wirklich hart. Mark und ich hatten uns vorgenommen, die ersten 5 Kilometer der Runde nicht auf Biegen und Brechen die 4:30 laufen zu wollen, sondern eher die zweite Hälfte forcieren zu wollen, wenn es denn sein müsste. Die ersten beiden Kilometer liefen noch gut, über die Bahnbrücke mussten wir ein wenig Sekunden lassen und kassierten eine 4:40, danach standen wir erst einmal die letzten 3 Kilometer im kalten Gegenwind. Dazu geht es hier ganz leicht bergan. Wir kämpften gemeinsam bis zum VP bei Kilometer 24, dann ging es auf die letzten knapp 1,5 Gegenwind-Kilometer. Plötzlich war Mark weg. Meine 4:35 und 4:34 gegen den Wind ging er nicht mehr mit. Also gut, vielleicht kommt er ja noch.
Normalerweise versägt er mich auf allen Intervallen, aber in der Langdistanz scheine ich tatsächlich stärker zu sein. Egal, es geht um mich. Mit Seitenwind ging es gleich leichter, schon liefen die beiden Kilometer problemlos in 4:24. Dann mit Rückenwind und gefühlt auf den letzten Metern ging es sogar unter 4:20, ehe ich mich selbst zurück pfiff. Das Bahntraining am Montag war nur noch 29 Stunden entfernt. Ich will mich nicht kaputt trainieren, sondern sinnvoll Tempo aufbauen. Dennoch überholte ich nur noch. Einer fragte mich nach meiner Altersklasse, als ich "M50" zurückrief, kam ein "Hau ab!" hinterher. Das sind die kleinen Schmunzler, die das Laufen auch so schön machen.
Am Ende hat jeder gewonnen. gegen sich selbst.

Ich verbot mir den echten Endspurt, war auf der Aschenbahn am Sportplatz, die weniger matschig war, als ich befürchtet hatte und war im Ziel. 2:21:00, eine neue Bestzeit für mich auf 30 Kilometer, die ich allerdings nur hier in Bertlich und immer nur nach Trainingsvorgaben gelaufen war. 
Laufkollege Mathias war gerade nach seinem ersten Marathon im Ziel, es gab gleich ein großes "Hallo". Mark kam erst knapp 3 Minuten nach mir, er war doch am Ende leicht eingebrochen. Schade für ihn, der die ersten 2 1/2 Runden schön das Tempo hoch gehalten hatte. Trotzdem schön, ihn einmal geschlagen zu haben, auch wenn alles nur Spaß ist. Sven kam kurz danach, er hatte sich auf der letzten Runde am oberen Ende der Bandbreite bewegt, war damit aber auch gut durchgekommen.
Nur Lars musste leider einen totalen Einbruch erleben, hatte aber auch am Vortag eine Menge gemacht gehabt. Er kam erst 8 Minuten nach mir ins Ziel, das ist auf 10 Kilometer ein odentlicher Zeitverlust. Dennoch hat er die ersten beiden Runden gut mitgezogen, aber scheinbar war das an diesem Tag zu schnell. Die Rache kommt dann oft jenseits der 25 km, wenn die Kohlenhydrate alle sind. Mein ultragestählter Kadaver kennt das wohl etwas besser und lässt sich nicht mehr überraschen.

Dann kam unsere "Frauen-Mannschaft". Zuerst Claudia mit Marinja im Schlepptau, gewohnt lächelnd, wenige Sekunden danach Heike. Allesamt gute 2:43er Zeiten, sie waren am Ende sogar unter 5er Pace und damit über 10 Sekunden zu schnell gewesen. Top-Leistung, die mit dem Mannschaftssieg belohnt wurde. Gut, es war sonst keine Frauen-Mannschaft am Start. Mit der Zeit hätte die abwesende Konkurrenz aber schon stark auffahren müssen. 


Fazit der ersten "9 1/2 Wochen": Das ganze Sado-Maso-Tempo-Zeugs scheint echt zu helfen. Claudia und ich fühlen uns gut. der Aufwand ist überschaubar und hinten heraus geht immer noch so einiges.
Damit erübrigt sich für mich auch die Diskussion, ob man sich im Wettkampf zurückhalten darf oder nicht. Ja. Denn der Wettkampf ist am 9.4..Davor ist alles irgendwo Training. Und das darf man dosieren. 
Bei Kaffee und /(vorher reserviertem) Kuchen ist es in bertlich nachher immer recht gemütlich.
Man sitzt gemütlich beieinander in der Veranstaltungshalle, erzählt ein wenig, klopft große Sprüche und hat einfach Spaß. Das macht diese Veranstaltung trotz der einsamen und unspektakulären Strecke immer wieder schön. Nach dem Silvesterlauf  und dem 10er bei der Winterlaufserie ist die dritte Kontrolleinheit super verlaufen. Die 10. Woche ist um. Onderweeg naar Rotterdam.....



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